BAG: Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates bei konzernweitem Einsatz von SAP im Personalwesen
Die Konzernobergesellschaft und der Konzernbetriebsrat streiten über die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung für das System SAP HR im Bereich der Personalverwaltung. Die Personalverwaltung wird für die Mehrzahl der Konzernunternehmen von einer dafür zuständigen Konzerngesellschaft mit dem System SAP HR durchgeführt. Dabei wird nicht für jede Gesellschaft ein einzelner Mandant im System angelegt, sondern es werden alle Daten im „Einmandantenmodell“ verarbeitet. Danach haben zwar nur die Mitarbeiter der personalverwaltenden Gesellschaft Zugriffsmöglichkeiten auf die Personaldaten. Das System verfügt aber über diverse technische Schnittstellen, z.B. für das Einlesen von Stundenkonten, Meldungen an Sozialversicherungsträger und Finanzverwaltung, den elektronischen Versand von Entgelt- und Zeitnachweisen und die Verwaltung der Papierdokumente. Ferner kann das System diverse Berichtsaufgaben erfüllen. Die Zugriffe auf die Daten werden durch eine einheitliche Protokollierungsfunktion aufgezeichnet.
Nachdem sich Konzernobergesellschaft und Konzernbetriebsrat in einem gerichtlichen Vergleich auf die Einrichtung einer Einigungsstelle geeignet hatten, beschloss die Einigungsstelle in einem Spruch, dass sie nicht zuständig sei. Die Nutzung des Personalverwaltungssystems erfordere keine unternehmensübergreifende Regelung. Dagegen richtet sich der Antrag des Konzernbetriebsrates. Das LAG hatte den Antrag des Konzernbetriebsrates abgewiesen.
Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde war erfolgreich. Die Nutzung des Systems SAP ERP im Personalwesen unterliegt dem Mitbestimmungsrecht von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Es handelt sich um eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern zu überwachen. Darüber bestand kein Streit. Zuständig zur Regelung dieser Angelegenheit im Konzern ist der Konzernbetriebsrat. Die Personalverwaltung wird für mehrere Unternehmen vorgenommen, sodass mehrere Unternehmen betroffen sind. Die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates erfordert darüber hinaus, dass die Angelegenheit nicht durch die einzelnen Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsräte innerhalb ihrer Unternehmen geregelt werden können. Es muss „objektiv ein zwingendes Erfordernis für eine unternehmensübergreifende Regelung“ bestehen. Ein solches zwingendes Erfordernis liegt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes bei der Verwendung von SAP ERP im Einmandantenmodell für mehrere Unternehmen vor. Die verarbeiteten Daten können über die Grenze der Unternehmen hinweg miteinander verknüpft, exportiert, importiert und in anderer Weise genutzt werden. Das System bietet darüber hinaus die Möglichkeit zur einheitlichen Festlegung und Anwendung benutzerdefiniert festgelegter Datenbankfelder. Das ermögliche eine konzernweite Eingabe, Filterung und Ausgabe der von den Arbeitnehmern erhobenen Leistungs- und Verhaltensdaten. Damit ergebe sich „die zentrale Nutzungs- und Überwachungsmöglichkeit des eingesetzten Personalverwaltungssystems“, aus der sich die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates ergebe (BAG vom 25.09.2012, 1 ABR 45/11)
Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Der Beschluss des BAG stellt einen weiteren Baustein im Mosaik der Entscheidungen des BAG zur Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats dar.
Das Bundesarbeitsgericht hatte bereits in vielen Entscheidungen klargestellt, dass die einzelnen Betriebsräte auch dann zur Regelung einer Angelegenheit zuständig sind, wenn die Angelegenheit mehrere Betriebe betrifft. Das gilt aber nur, solange die Betriebsräte die Angelegenheit selbst regeln können. Das Bundesarbeitsgericht hat nun klargestellt, dass ein solches "Regelnkönnen" des Betriebsrates bei der einheitlichen Verarbeitung von Daten im System SAP dann nicht mehr vorliegt, wenn die Daten der Mitarbeiter verschiedener Unternehmen in einem SAP-System im Rahmen eines Ein-Mandanten-Modells verarbeitet werden. Zwar könnte jeder Betriebsrat mit der Arbeitgeberin regeln, welche Mitarbeiter auf welche Daten zugreifen können, aber die Ablage der Daten in einem Datenbanksystem und die Nutzung zentraler Schnittstellen und einer zentralisierten Auswertung der Daten soll zur Folge haben, dass der einzelne Betriebsrat die Angelegenheit nicht mehr selbst regeln kann. Diese Begründung dürfte aber nicht nur für SAP gelten. Vielmehr wird nunmehr in IT-Angelegenheiten immer von der Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates auszugehen sein, wenn die Daten der Mitarbeiter mehrerer Unternehmen in einem System zusamengeführt werden. Das kann neben SAP auch für Groupwarelösungen wie Exchange ebenso gelten wie für Systeme zur Arbeitszeiterfassung oder Helpdesksysteme.
Aktenzeichen:
1 ABR 45/11
1 ABR 45/11
1 ABR 45/11
1 ABR 45/11