BGH lässt durch den Großen Senat prüfen, ob ein Vertragsarzt als Amtsträger im Sinne einer Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit gemäß §§ 331 ff. StGB anzuerkennen ist
Der Bundesgerichtshof hat dem sogenannten Großen Senat für Strafsachen die Frage vorgelegt, ob ein Vertragsarzt als Amtsträger im Sinne einer Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit gemäß §§ 333, 334 StGB ist.
Der Große Senat ist für die Beantwortung grundsätzlicher Rechtsfragen vor allem dann zuständig, wenn dies zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist. Hier handelt es sich um eine Anfrage, die den gesamten Bereich des sogenannten „Pharma-Marketing“ betrifft.
Die Staatsanwaltschaft hatte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bestechung bzw. der Bestechung im geschäftlichen Verkehr geführt.
Das Unternehmen, gegen das sich die Ermittlungen richteten, vertreibt Geräte, die zur sogenannten „Reizstromtherapie“ bestimmt sind.
Zwar hat die Staatsanwaltschaft das eigentliche Ermittlungsverfahren eingestellt. Im Rahmen eines sogenannten „selbständigen Verfallsverfahren“ beantragte aber die Staatsanwaltschaft gegen das Unternehmen Wertersatz in Höhe von 350.225,00 € für verfallen zu erklären.
Das sogenannte „selbständige Verfallsverfahren“ dient insbesondere dazu, dass aus rechtswidrigen Taten niemandem ein Vermögensvorteil erwächst.
Das besagte Unternehmen schloss mit einer Krankenkasse Verträge über die Abgabe der Reizstromtherapiegeräte an Patienten zur häuslichen Eigenanwendung.
Es stellte zudem niedergelassenen Ärzten hochwertige Apparaturen für deren Praxis zur Verfügung und erließ das hierfür zu zahlende Entgelt vollständig oder teilweise, wenn der Arzt Verordnungen über den Bezug eines Reizstromtherapiegerätes ausstellte und diese dem Unternehmen zukamen.
Zwischen September 2004 und November 2008 erhielt das Unternehmen auf diese Weise mehr als 70.000 Verordnungen.
Es rechnete seine Leistungen sodann gegenüber der Krankenkasse ab.
Das Landgericht Stade hat diesen Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass weder die Voraussetzungen einer Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB) noch diejenigen einer Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) oder Bestechung (§ 334 StGB) vorlägen. Die Staatsanwaltschaft legte dagegen Revision ein.
Entscheidend ist, ob ein niedergelassener Vertragsarzt bei der Behandlung gesetzlich Versicherter als sogenannter Amtsträger nach § 11 Abs. 1 c) StGB anzusehen ist.
Dann kann er auch Täter eines sogenannten Amtsdeliktes, also der Vorteilsannahme bzw. der Bestechlichkeit sein.
Dementsprechend kann dann die Gewährung eines Vorteils auch eine Vorteilsgewährung bzw. Bestechung im Sinne der strafrechtlichen Vorschriften sein.
Ist dies zu verneinen, stellt sich zusätzlich die Frage, ob der Vertragsarzt Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB (Bestechung im geschäftlichen Verkehr) ist.
Diese Fragen sind höchst umstritten und hierzu sind noch keine höchstrichterlichen Entscheidungen ergangen.
Die Beantwortung dieser Fragen hat über den vorliegenden Einzelfall hinaus erhebliche Auswirkungen auf die Strafverfolgungspraxis und insbesondere auf die Praxis im sogenannten „Pharma-Marketing“.
(BGH, Beschluss vom 05. Mai 2011, Az. 3 StR 458/2010)
Anmerkung: Die Einhaltung von Strafrechtsvorschriften ist sowohl für die Privatwirtschaft als auch für viele Kommunen ein wichtiger Aspekt der Korruptionsvermeidung.
Hier können neben arbeits- und disziplinarrechtlichen Folgen große Imageverluste für Behörden und Unternehmen drohen.
Der dem Großen Senat des Bundesgerichtshofes nunmehr vorliegende Fall stellt die Frage, ob die strafrechtlichen Korruptionsvermeidungsvorschriften auch auf das sogenannte „Pharma-Marketing“ anwendbar sind. Sollte der BGH dies bejahen, so hätte dies umfangreiche Auswirkungen auf Aufsichtsbehörden, die betroffenen Unternehmen und die Krankenkassen.
Wir führen zum Thema Korruptionsvermeidung umfassende Seminare sowohl für Unternehmen als auch Kommunen durch. Wir stehen Ihnen diesbezüglich gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.
3 StR 458/2010
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