BSG: Aufhebungsvertrag und Sperrzeit – Rechtsprechungsänderung?
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner zur Entscheidung des Entscheidung vom 12.07.2006 eine einschneidende Änderung seiner Rechtsprechung zum Eintritt einer Sperrzeit bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags angekündigt. Die zugrunde liegende Bestimmung von § 144 Abs. 1 SGB III sieht vor, dass eine Sperrzeit immer dann eintritt, wenn ein Arbeitnehmer den Eintritt seiner Arbeitslosigkeit schuldhaft verursacht, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Während das BSG bislang sehr hohe Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes stellt, erwägt es nun eine grundlegende Änderung zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer.
Bislang geht die Rechtsprechung des BSG davon aus, dass ein solches schuldhaftes Verhalten eines Arbeitnehmers bei Abschluss eines auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Aufhebungsvertrages regelmäßig vorliegt. Allerdings hatte das BSG bereits bislang anerkannt, dass auch bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine Sperrzeit dann nicht eintritt, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages anführen kann. Dabei hatte das BSG jedoch immer hohe Anforderungen an den wichtigen Grund gestellt. Dieser sollte nur dann vorliegen, wenn
- die Arbeitslosigkeit auch ohne Abschluss des Aufhebungsvertrages spätestens zu diesem Zeitpunkt eingetreten wäre und
- der Arbeitnehmer mit dem Aufhebungsvertrag „die mit einer Kündigung typischerweise einhergehenden Nachteile“ verhindern oder mindern kann.
Der zweitgenannte Punkt wird von der Rechtssprechung des BSG inzwischen durchaus weitherzig ausgelegt. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 12.07.2006 klargestellt hat, ist dafür nicht erforderlich, dass mit Abschluss des Aufhebungsvertrages Nachteile für das berufliche Fortkommen vermieden werden. Vielmehr soll es dafür ausreichen, dass sich der Arbeitnehmer „durch den Aufhebungsvertrag wenigstens die ihm angebotene Abfindung zu sichern“ vermag.
Als besonderes Problem stellte sich aber regelmäßig die Frage dar, ob die Arbeitslosigkeit auch ohne Abschluss des Aufhebungsvertrags eingetreten wäre. Das BSG legte dabei immer einen objektiven Maßstab an, so dass es nicht darauf ankam, ob der Arbeitgeber – wenn es nicht zum Abschluss des Aufhebungsvertrags gekommen wäre – zu dem im Aufhebungsvertrag vereinbarten Termin für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Kündigung ausgesprochen hätte. Vielmehr ist nur entscheidend, ob diese Kündigung auch rechtmäßig gewesen wäre. Das aber hängt von einer Vielzahl von Tatsachen ab, die der Arbeitnehmer bei Abschluss des Aufhebungsvertrages häufig nicht einzuschätzen vermag. Deshalb kam es in einer Vielzahl von Fällen dazu, dass Arbeitnehmer und Agentur für Arbeit vor den Sozialgerichten über den Eintritt einer Sperrzeit stritten und dabei der Prozess über die Wirksamkeit einer Kündigung, den die Parteien gerne vermieden hätten, vor den Sozialgerichten nachgeholt werden musste.
Das BSG hat nun in seiner Entscheidung vom 12.07.2006 nunmehr eine Änderung seiner Rechtsprechung erwogen und mitgeteilt, zukünftig möglicherweise die Höhe der in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung als Maßstab für den Eintritt einer Sperrzeit heranzuziehen. Dabei bezieht sich das BSG auf die Bestimmung von § 1a KSchG, in der der Gesetzgeber für bestimmte Fälle die Zahlung einer Abfindung in Höhe eines halben Bruttomonatsentgeltes für jedes Beschäftigungsjahr vorgesehen hat. Dazu führt das BSG aus: „Diese unmittelbar nur auf das Arbeitsrecht bezogene Öffnung für eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen könnte Veranlassung dafür geben, künftig einen wichtigen Grund bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne die ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung anzuerkennen. Letzteres erwägt der Senat für Sperrzeiten wegen Arbeitsaufgabe mit einem Lösungssachverhalt ab dem 1. 1. 2004, wenn die Abfindungshöhe die in § 1a II KSchG vorgesehene nicht überschreitet“ .
Wenn das BSG seine Rechtsprechung tatsächlich in der angekündigten Weise ändern würde, so würde eine Sperrzeit bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags dann nicht eintreten, wenn dabei die arbeitgeberseitig geltende Kündigungsfrist eingehalten wurde und die Abfindungshöhe den in § 1a KSchG genannten Betrag nicht überschreitet. Das BSG wird aber bereits jetzt von verschiedener Seite wegen seiner Ankündigung kritisiert. So wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die angekündigte Änderung ein Einfallstor für Missbrauch darstellen würde, weil auch der Arbeitnehmer, der weiß, dass eine vom Arbeitgeber angedrohte Kündigung rechtswidrig wäre, nicht mit dem Eintritt einer Sperrzeit rechnen müsste, wenn die Abfindung die Höhe eines halben Bruttomonatsgehaltes für jedes Beschäftigungsjahr nicht überschreitet. Es muss deshalb davor gewarnt werden, sich schon zum jetzigen Zeitpunkt auf die Änderung der Rechtsprechung des BSG zu verlassen. Auch die vom BSG gewählte Formulierung gibt keinen Anlass, auf die Änderung der Rechtsprechung zu vertrauen, weil das BSG lediglich erklärt hat, eine Änderung zu erwägen. Dass es zur Änderung der Rechtsprechung in der erwähnten Weise kommen wird, ist damit keineswegs sicher. Bis zu einer Klarstellung durch das BSG muss deshalb weiterhin davon ausgegangen werden, dass eine Sperrzeit bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags immer eintreten kann, wenn die vom Arbeitgeber angedrohte Kündigung tatsächlich nicht rechtmäßig gewesen wäre.
(Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Rolf-Christian Otto)