BVerfG: Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer in Teilen verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 17. Dezember – 1 BvL 21/12 die erbschaftsteuerlichen Regelungen, welche das Betriebsvermögen begünstigen, für verfassungswidrig erklärt. Betroffen sind die §§ 13a, 13b und 19 Abs. 1 ErbStG. Die Normen gelten bis 30. Juni 2016 fort. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Gesetzgeber nunmehr verpflichtet eine Neuregelung zu treffen. Ein Vertrauensschutz gegenüber einer bis zur Urteilsverkündung rückwirkenden Neuregelung besteht nicht.

Die Frage wurde dem BVerfG von dem Bundesfinanzhof zur Entscheidung vorgelegt. Gegenstand der Vorlage war die Vereinbarkeit der §§ 13a, 13b und 19 Abs. 1 ErbStG mit Art. 3 Abs. 1 GG.

Die Verschonungsregelungen führen zu nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen der Erwerber betrieblichen und nichtbetrieblichen Vermögens, die nach Auffassung des BVerfG ein enormes Ausmaß erreichen können. Ziel der Verschonungsregelungen sei es, den Bestand von Unternehmen und deren Arbeitsplätze nicht durch steuerbedingte Liquiditätsprobleme zu gefährden. Erreicht werden sollte dies, indem man produktives Vermögen steuerlich begünstigt. Eine Privilegierung, soweit sie über kleine und mittlere Unternehmen ohne eine Bedürfnisprüfung hinausgreift, sei unverhältnismäßig.

Nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind nach der Entscheidung des BVerfG insbesondere die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten von der Lohnsummenregelung sowie die Regelung über das Verwaltungsvermögen. Darüber hinaus wurde als Umgehungskonstruktion in diesem Zusammenhang die Aufspaltung von Unternehmen in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft angemerkt. Indem § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG zulasse, dass auf diese Weise die Bindung an die Lohnsumme umgangen werde, verstoße er gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Hinweise von Rechtsanwältin Dr. Astrid Siebert:
Eine Veränderung der Rechtslage im Hinblick auf die nunmehr für verfassungswidrig erklärten Regelungen hat sich angedeutet, da die als Ausnahme gedachte Regelung in der Praxis einen Großteil von Unternehmensübertragungen begünstigt hat. Für die Zukunft bleibt abzuwarten, wie die Politik die seitens des Gerichts aufgegebene Neuregelung ausgestalten wird. Auch wenn die Richter darauf hingewiesen haben, dass eine Regelung rückwirkend auf den Tag der Urteilsverkündung gestaltet werden kann und Betroffenen insoweit kein Vertrauensschutz zukommen wird, bleibt die tatsächliche Ausgestaltung der Neuregelung zunächst abzuwarten. Bis eine Neuregelung in Kraft tritt bleiben die bisherigen Regelungen zunächst anwendbar. Ob man innerhalb dieses Zeitraumes jedoch eine Unternehmensübertragung auf Basis der bisherigen Regelungen wagen möchte, sollte aufgrund des mangelnden Vertrauensschutzes gut überlegt werden. In jedem Fall sollte professioneller Rat eingeholt und die Entwicklungen im Hinblick auf die anstehende Neuregelung beobachtet werden.
 

Aktenzeichen:

1 BvL 21/12

1 BvL 21/12