BVerwG: Arbeitszeitgesetz auf Erzieher in Wohngruppen mit alternierender Betreuung anwendbar

Streitgegenständlich war die Klage einer GmbH, welche als Trägerin der Kinder- und Jugendhilfe Wohngruppen betreibt, in denen regelmäßig jeweils sechs Kinder und Jugendliche von drei Erziehern betreut werden. Das dabei angewendete Dienstplanmodell sieht eine sogenannte alternierende Betreuung (WaB-Modell) vor. Dieses Modell kombiniert überlappende Einsatzzeiten von jeweils drei Erziehern für eine Wohngruppe. Dabei wohnt ein Erzieher für zwei bis sieben Tage durchgehend in der Wohngruppe. Der zweite Erzieher hat tagsüber Dienst, der jeweils dritte Erzieher hat frei.

 

Die Gesellschaft war der Auffassung, dass die Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes auf die in den WaB-Gruppen beschäftigten Erzieher nach § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG ausgeschlossen ist, da die vollzeitig anwesenden Erzieher in häuslicher Gemeinschaft mit den Kindern und Jugendlichen in der Wohngruppe zusammenleben.

 

Das beklagte Land hat demgegenüber dem Träger aufgegeben dieses Modell abzuändern und künftig das Arbeitszeitgesetz einzuhalten. In letzter Instanz hat das BVerwG diese Einschätzung bestätigt.

 

Demnach greift die Ausnahme des „Zusammenlebens in häuslicher Gemeinschaft“ hier nicht, da dazu ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften auf längere Zeit erforderlich ist, das auf personelle Kontinuität sowie nahezu permanente Verfügbarkeit des Arbeitnehmers angelegt und davon geprägt ist, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen lassen. Dieses Verständnis des § 18 Abs. 1 Nr. 3 ArbZG stehe im Einklang mit dem Unionsrecht, namentlich der Richtlinie 2003/88/EG. Gemessen daran stelle das von der Klägerin praktizierte Modell kein Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft dar.

Hinweis von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Arbeitszeitmodelle in Wohngruppen führen immer wieder zu rechtlichen Problemen in ihrer Umsetzung und der Frage, ob die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes gewahrt werden. Ähnliche Probleme stellen sich auch im Rahmen von betreuten Ferienfreizeiten. Dabei sind die jeweiligen Träger und die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufig durchaus übereinstimmend in der pädagogischen Bewertung der Notwendigkeit und wenden Arbeitszeitmodelle an, die die werktägliche Höchstarbeitszeit deutlich überschreiten. Mit dieser Entscheidung ist der Spielraum für Arbeitszeitmodelle in der Kinder- und Jugendhilfe erneut kleiner geworden.

 

Gericht:

Bundesverwaltungsgericht

 

Datum der Entscheidung:

08.05.2019

 

Aktenzeichen:

BVerwG 8 C 3.18