EuGH: Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub geht mit dessen Tod als vermögensrechtlicher Zahlungsanspruch auf seine Erben über. Diese können eine finanzielle Vergütung für den vom Verstorbenen nicht genommenen Jahresurlaub verlangen.
Grundsätzlicher Zweck von Urlaub ist die Erholung des Arbeitnehmers. Nicht grundlos wird der Urlaub daher oftmals auch als Erholungsurlaub bezeichnet. Eine Ausnahme von dieser Zweckmäßigkeit findet sich in § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz. Darin heißt es:
„Kann der Urlaub wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.“
Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich der nicht verbrauchte Urlaubsanspruch folglich in einen Urlaubabgeltungsanspruch und somit einen finanziellen Zahlungsanspruch um. Das Bundesarbeitsgericht ist in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass lediglich ein im Todeszeitpunkt bereits bestehender Urlaubsabgeltungsanspruch des Verstorbenen auf seine Erben übergehen kann, der Erblasser mithin das Ende seines Arbeitsverhältnisses noch erlebt haben muss. Werde das Arbeitsverhältnis hingegen durch den Tod des Arbeitnehmers beendet, so gehe der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub unter, weil der Erholungszweck nicht mehr erreicht werden könne. Mit der vorliegenden Entscheidung hat der europäische Gerichtshof seine davon abweichende Auffassung verdeutlicht. So besitze der Urlaubsanspruch neben einer zeitlichen (Erholungszeit) auch eine finanzielle Komponente (finanzielle Vergütung für nicht genommenen Jahresurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses). Auch wenn der verstorbene Arbeitnehmer die zeitliche Komponente seines Urlaubs durch den Todesfall nicht mehr wahrnehmen kann, führe dies nicht dazu, dass automatisch auch die finanzielle Komponente untergehe, da diese rein vermögensrechtlicher Natur sei. Dem europäischen Gerichtshof folgend, kommt es damit nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers ein Urlaubsanspruch oder ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Arbeitnehmers besteht. Wird das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers beendet, so wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Diesen vermögensrechtlichen Anspruch können die Erben gegen den Arbeitgeber des Verstorbenen geltend machen.
Hinweis von Rechtsanwalt Adrian Kalb:
Erben verstorbener Arbeitnehmer können nunmehr unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH eine finanzielle Abgeltung für Urlaubsansprüche gegen den vorherigen Arbeitgeber des Verstorbenen geltend machen. Die Entscheidung des europäischen Gerichtshofs ist in der Sache nachvollziehbar und letztlich auch richtig, denn Urlaub bedeutet für Arbeitnehmer nicht nur, in dieser Zeit nicht arbeiten zu müssen, sondern auch, während des Urlaubs weiterhin vergütet zu werden. Insofern findet die allgemeingebräuchliche Redewendung „Zeit ist Geld“ auch in der vorliegenden Entscheidung des EuGH ihre Berechtigung.
Gericht:
EuGH
Datum der Entscheidung:
06.11.2018
Aktenzeichen:
C-569/16, C-570/16