Doppelarbeitsverhältnis wegen unwirksamer Kündigung begründet keinen doppelten Urlaubsanspruch
Das Bundesarbeitsgericht hat am 21.02.2012 entschieden (AZ. 9 AZR 487/10), dass einem Arbeitnehmer, der nach arbeitgeberseitiger Kündigung ein neues Arbeitsverhältnis begründet und sodann mit seiner Kündigungsschutzklage Erfolg hat, kein Ersatzurlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber zusteht, soweit ihm sein neuer Arbeitgeber Urlaub gewährt hat. Das gelte jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig hätte erfüllen können.
Die Klägerin war Arbeitnehmerin der Beklagten. Nachdem Arbeitsvertrag standen ihr jährlich 29 Arbeitstage Urlaub zu. Anfang 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Die Klägerin erhob rechtzeitig Kündigungsschutzklage und suchte sich eine neue Stelle. Später stellte das LAG rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten nicht vor Ablauf des Jahres 2008 aufgelöst worden ist. Im November 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erfolglos Urlaub für die letzten sechs Wochen des Jahres. Ihr neuer Arbeitgeber hatte ihr zu diesem Zeitpunkt 21 Urlaubstage gewährt. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass ihr ein Ersatzurlaubsanspruch von 29 Tagen für das Jahr 2008 zusteht. Die Beklagte machte dagegen geltend, dass die vom neuen Arbeitgeber gewährten 21 Urlaubstage auf den Urlaubsanspruch anzurechnen sind. Arbeitsgericht und LAG gaben der Klage statt.Auf die Revision der Beklagten stellte das BAG fest, dass der Klägerin lediglich ein Ersatzurlaubsanspruch von acht Arbeitstagen zusteht.
Die Beklagte muss der Klägerin lediglich für acht verweigerte Urlaubstage aus 2008 Schadensersatz leisten. Das folgt allerdings nicht bereits aus § 6 Abs. 1 BUrlG. Hiernach entfällt der Urlaubsanspruch, soweit dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von einem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist. Die Vorschrift erfasst nicht den – hier vorliegenden – Fall, dass ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers ein
anderweitiges Arbeitsverhältnis eingegangen ist und festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Streitfall liegt ein Doppelarbeitsverhältnis vor, da die Klägerin während des zwar gekündigten, aber letztendlich fortbestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten ein weiteres Arbeitsverhältnis begründet hat. In einem solchen Fall scheidet im Umfang des vom neuen Arbeitgeber gewährten Urlaubs ein (Ersatz-)Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber grds. aus. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen nicht gleichzeitig hätte erfüllen können. Einem doppelten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers steht entgegen, dass dieser im Fall
eines Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit grds. so zu stellen ist, als hätte keine tatsächliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses stattgefunden. Zwar handelt es sich beim Urlaub nicht um Entgelt für geleistete Dienste, so dass die Anrechnungsvorschriften § 11 Nr. 1 KSchG und § 615 Satz 2 BGB keine unmittelbare Anwendung finden. Wegen der Gleichheit der Interessenlage ist aber eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen
geboten. Nach diesen Grundsätzen steht der Klägerin für das Jahr 2008 nur ein Ersatzurlaubsanspruch von acht Arbeitstagen zu. Da sie nicht gleichzeitig ihre Pflichten aus beiden Arbeitsverhältnissen erfüllen konnte, hat sie keinen doppelten Urlaubsanspruch, sondern muss sich die ihr gewährten 21 Urlaubstage auf ihren Urlaubsanspruch gegenüber der Beklagten anrechnen lassen.
9 AZR 487/10
9 AZR 487/10
9 AZR 487/10