Erhebliches Presseecho: Entscheidung des BAG zu einem Fall sexueller Belästigung
Mit einer Verzögerung von einigen Wochen waren heute, 10.02.15, quer durch alle Presseorgane, urplötzlich Schlagzeilen folgender Art zu lesen:
"Kündigung wegen Berührung am Busen unwirksam" (faz.net)
"BAG zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz Busengrapscher allein nicht immer Kündigungsgrund" (Legal Tribune Online)
"Busengrapscher bekommt seinen Job zurück" (Süddeutsche.de)
"Richter geben Busengrapscher recht" (WAZ)
Was war passiert?
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich im Rahmen einer Kündigungsschutzklage in einer Entscheidung vom 22.11.2014 mit einem Sachverhalt zu befassen, in dem ein seit 1996 beschäftigter Arbeitnehmer (Kfz-Mechaniker) am 27.07.2012 in den Sozialräumen der Arbeitgeberin auf die ihm bis dahin unbekannte Mitarbeiterin eines externen Reinigungsunternehmens traf.
Diese externe Mitarbeiterin war zunächst im Gespräch mit zwei Arbeitskollegen des Klägers. Später entfernten sich diese und der Kläger, sich im Waschraum befindend, führte ebenfalls eine Unterhaltung mit ihr. Im weiteren Verlauf stellte sich die externe Mitarbeiterin dann zunächst vor das Waschbecken und anschließend neben den Kläger.
In dieser Situation kam es laut BAG zu folgendem Ablauf:
"Der Kläger sagte zu ihr, sie habe einen schönen Busen und berührte sie an einer Brust. Frau M. erklärte, dass sie dies nicht wünsche. Der Kläger ließ sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Sozialraum. Frau M. arbeitete weiter. Sie schilderte den Vorfall später ihrem Arbeitgeber, der seinerseits an die Beklagte herantrat."
Bereits wenige Tage später (31.07.2012) wurde der Kläger zu dem Vorfall von seiner Arbeitgeberin angehört. Er stritt den Vorfall nicht ab, sondern
"erklärte, er habe sich eine Sekunde lang vergessen. 'Die Sache' tue ihm furchtbar leid. Er schäme sich, so etwas werde sich nicht wiederholen."
Nach Ausspruch der fristlosen Kündigung richtete der Kläger ein Entschuldigungsschreiben an die Frau und führte unter Zahlung eines Schmerzensgeldes einen Täter-Opfer-Ausgleich herbei.
Außerdem erhob er fristgerecht Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht.
In letzter Instanz hatte nunmehr das BAG zu entscheiden:
Im Einklang mit dem Landesarbeitsgericht hielt es die fristlose Kündigung für unwirksam. Im konkreten Fall hätte eine Abmahnung ausgereicht.
Zwar habe der Kläger die externe Mitarbeiterin sowohl verbal, als auch körperlich sexuell belästigt, was "an sich", d.h. typischerweise bzw. ohne Berücksichtigung besonderer Umstände, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstelle. Doch sei zugunsten des Klägers bei der weiteren Prüfung u.a. zu berücksichtigen, dass er sofort von der Frau abgelassen, die Situation eingeräumt und sich entschuldigt habe (BAG, Urt. v. 20.11.2014, Az. 2 AZR 651/13).
Hinweise von Rechtsanwalt Michael Kügler:
Die vorliegende Entscheidung hat ein starkes Presseecho gefunden. Auf den ersten Blick könnte hierbei der Eindruck entstehen, als würde das BAG "Busengrapschen" nicht als sonderlich gravierenders Fehlverhalten ansehen.
Dies ist mitnichten der Fall:
Dass das gezeigte Verhalten in doppelter Weise eine sexuelle Belästigung darstellt und "an sich" eine fristlose Kündigung rechtfertigt, wurde nicht in Abrede gestellt.
Allerdings ist das Arbeitsrecht kein Strafrecht. Dafür sind andere Justizorgane zuständig. Im Arbeitsrecht geht es vielmehr darum, welche Wirkung ein Fehlverhalten für die Zukunft entfaltet. Hier hat der Kläger durch sein "Nachtatverhalten" bereits das Landesarbeitsgericht überzeugt, dass er ernsthaft bereut und für die Zukunft keine Wiederholung erwarten lässt.
2 AZR 651/13
2 AZR 651/13