EuGH: Unzulässige Kettenbefristung bei Lehrer:innen für katholische Religion

Ausgangspunkt des Verfahrens war die Klage von 18 Lehrer:innen, die in Italien über viele Jahre hinweg an öffentlichen Schulen für das Fach katholische Religion eingestellt waren. Die Verträge wurden jeweils auf ein Jahr befristet.  

Die Lehrer:innen klagten auf Umwandlung in unbefristete Verträge, da die Befristungen u.a. dazu führten, dass diese Leher:innen nicht für eine Planstellenbesetzung in Betracht kamen. 

Das italienische Vorlagegericht legte den Streitstand dem EuGH vor, der insbesondere die Frage beantworten sollte, ob es einen die Verlängerung befristeter Verträge rechtfertigenden „sachlichen Grund“ darstelle, dass die Lehrkräfte das Fach katholische Religion nur dann unterrichten dürfen, wenn ihnen von einer kirchlichen Stelle ein Befähigungsnachweis ausgestellt worden sei. 

Nach dem jetzt vorliegenden Urteil des EuGH verstoße die streitgegenständliche Kettenbefristung gegen § 5 (“Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch”) der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der RL 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist.   

Eine Rechtfertigung des Rückgriffs auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge durch einen sachlichen Grund gemäß § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung aufgrund eines vorübergehenden Bedarfs sei zwar nicht ausgeschlossen. Hierzu heißt es in der Entscheidung: 

„Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob der Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge im Bereich des öffentlichen katholischen Religionsunterrichts dadurch gerechtfertigt werden kann, dass im nationalen Recht sachliche Gründe im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung vorgesehen sind, und insbesondere, ob die Ausstellung des Befähigungsnachweises durch den Diözesanbischof, die es dem katholischen Religionslehrer ermöglicht, dieses Fach zu unterrichten, einen solchen sachlichen Grund darstellen könnte. Wie es in Nr. 7 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung heißt, waren die Unterzeichnerparteien der Rahmenvereinbarung nämlich der Auffassung, dass die aus „objektiven Gründen“ erfolgende Inanspruchnahme befristeter Arbeitsverträge helfe, Missbrauch zu vermeiden (Urteil vom 3. Juni 2021, Instituto Madrileño de Investigación y Desarrollo Rural, Agrario y Alimentario, C-726/19, ECLI:EU:C:2021:439, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung). 

Dem EuGH zufolge stellt der Befähigungsnachweis keinen “sachlichen Grund” im Sinne von § 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung dar, der die Verlängerung von befristeten Verträgen rechtfertigen würde. Der Befähigungsnachweis, über den die Lehrer:innen im Fach katholische Religion nach kanonischem Recht (Canon 804 § 2, § 805 des Codex Iuris Canonici) für ihren Unterricht verfügen müssten, werde nur einmal und unabhängig von der Dauer ihres Lehrauftrags ausgestellt und diese Ausstellung weise keinen Zusammenhang mit sozialpolitischen Maßnahmen auf. 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Die Entscheidung ist auch über die Grenzen des Ausgangslandes Italien hinaus von Bedeutung, da die missio canonica von allen Lehrer:innen für katholische Religion verlangt wird. 

Zu beachten ist dabei, dass § 5 der europäischen Rahmenvereinbarung zwar keine unmittelbare Wirkung hat, die nationalen Gerichte aber unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und in Anwendung der darin anerkannten Auslegungsmethoden prüfen müssen, ob eine mit der Rahmenvereinbarung vereinbarte Auslegung der fraglichen nationalen Bestimmungen möglich ist. Dies werden also auch die deutschen Arbeitsgerichte künftig zu beachten haben. 

 

 Gericht: 

EuGH 

Aktenzeichen

C-282-19

Datum der Entscheidung

13.01.2022