BAG: Gehaltserhöhung von Betriebsratsmitgliedern, wenn zur Vergleichsgruppe sowohl Tarifmitarbeiter als auch AT-Angestellte gehören

Macht ein Betriebsratsmitglied gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG eine Vergütungserhöhung geltend, liegt nach Auffassung des BAG keine Benachteiligung des Betriebsratsmitgliedes vor, wenn zur Vergleichsgruppe sowohl tarifliche als auch außertarifliche Mitarbeiter gehören und das Betriebsratsmitglied die für seinen Status (AT-/Tarifmitarbeiter) üblichen Gehaltserhöhungen erhalten hat.

Der Kläger ist Mitglied des Betriebsrats und verlangt von der beklagten Arbeitgeberin in Anwendung von § 37 Abs. 4 BetrVG eine Gehaltserhöhung. Am 04.07.2000 nahm der Kläger erstmals und danach regelmäßig als Ersatzmitglied an einer Betriebsratssitzung teil.

Der Kläger hatte sich mit der beklagten Arbeitgeberin einvernehmlich darüber geeinigt, dass drei konkret benannte Mitarbeiter bei erstmaliger Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mit ihm vergleichbar waren. Dabei handelte es sich um die Mitarbeiter Herr J, Herr P und Herr R. Vor Gericht haben der Kläger und die Arbeitgeberin übereinstimmend erklärt, dass die drei Vergleichspersonen eine vergleichbare fachliche und persönliche Qualifikation wie der Kläger aufwiesen und eine objektiv vergleichbare Tätigkeit ausgeübt haben. Ferner haben die Parteien übereinstimmend erklärt, dass diese drei Vergleichspersonen eine betriebsübliche Entwicklung genommen haben.

Im Juli 2000 bezogen die Vergleichspersonen Herr J und Herr P eine übertarifliche Vergütung. Der Kläger und die Vergleichsperson Herr R wurden damals tariflich nach der höchsten Tarifgruppe vergütet. Herr R und der Kläger rückten später in den außertariflichen Bereich (sog. „OT-Bereich“) auf.

In der Zeit von Juli 2000 bis zum 01.01.2014 erhielten der Kläger und die drei Vergleichspersonen bei allen Tariferhöhungen Gehaltssteigerungen. Darüber hinaus erfolgten unregelmäßig individuelle Gehaltserhöhungen in unterschiedlicher Höhe.

Bis zum Jahr 2014 erhöhte die Beklagte das Gehalt des Klägers in der Höhe des Durchschnitts der Gehaltserhöhung, die von den drei Vergleichspersonen erhalten wurde. Das wurde von der Beklagten im Jahr 2014 geändert. Eine Anpassung des Gehalts des Klägers sollte nur erfolgen, wenn die Mehrzahl der Vergleichspersonen eine Gehaltssteigerungen erhält. Wenn die Gehälter der von einer Gehaltserhöhung begünstigten Vergleichspersonen in unterschiedlicher Höhe erhöht wurden, sollte der Kläger den Durchschnitt der Anpassung der begünstigten Vergleichspersonen, die eine Gehaltserhöhung erhalten haben, erhalten.

Dagegen wehrte sich der Kläger. Nach seiner Auffassung hatte er Anspruch auf die durchschnittliche Gehaltssteigerungen der drei Vergleichspersonen. Die durchschnittliche Gehaltssteigerungen der drei Vergleichspersonen betrug im Zeitraum von Juli 2000 bis Januar 2014 unter Berücksichtigung der üblichen Tarifsteigerungen und der darüber hinaus gewährten Vergütungserhöhungen 1.714,78 EUR. Seine eigenen Gehaltssteigerungen belief sich nur auf 1.361,09 EUR, sodass er Anspruch auf eine Vergütungserhöhung i.H.v. 353,69 EUR habe.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Klage in Teilen zurückgewiesen. Der Kläger wandte sich daraufhin an das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Das BAG hat die Entscheidung des LAG aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung an das LAG zurückverwiesen.

Die Grundlage der Entscheidung des BAG findet sich in der Bestimmung von § 37 Abs. 4 BetrVG, die folgenden Wortlaut hat:

„Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.”

Das BAG hat zunächst grundlegende Ausführungen zur Erhöhung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern getätigt. Danach sei die Vergütung eines Betriebsratsmitglieds während der Dauer seiner Amtszeit in dem Umfang zu erhöhen, in dem die Gehälter vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung erhöht werden. Es muss also zunächst eine Vergleichsgruppe bestimmt werden. Zu dieser Vergleichsgruppe gehören nur die

„Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren“.

Allerdings gehören nicht alle diese Arbeitnehmer, die im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben, zur Vergleichsgruppe, sondern nur solche Arbeitnehmer, die eine „betriebsübliche berufliche Entwicklung“ erfahren haben. Üblich ist nach Auffassung des BAG eine solche berufliche Entwicklung,

„die vergleichbaren Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben“.

Wenn in solcher Weise die Vergleichsgruppe festgestellt wurde, sei zu prüfen, wie sich die Gehälter innerhalb dieser Vergleichsgruppe entwickelt haben. Wenn die Vergütungen innerhalb der Vergleichsgruppe um einen bestimmten einheitlichen Prozentsatz angehoben werden, habe auch das Betriebsratsmitglied Anspruch auf dieselbe prozentuale Erhöhung seines Gehalts. Wenn die Gehaltserhöhungen innerhalb der Vergleichsgruppe aber unterschiedlich ausfielen, komme es darauf an,

„in welchem Umfang die Gehälter der Mehrzahl der der Vergleichsgruppe angehörenden Arbeitnehmer angehoben werden“.

Wenn die Vergleichsgruppe so klein sei, dass nicht feststellbar sei, dass die Gehälter der Mehrzahl vergleichbarer Arbeitnehmer im gleichen Umfang erhöht wurden, könne auch der Durchschnitt der Vergütungserhöhungen der vergleichbaren Arbeitnehmer maßgebend sein.

Nach diesen allgemeinen rechtlichen Ausführungen betrachtet das BAG den Vergütungsanspruch des Klägers. Dabei geht es davon aus, dass die drei benannten Vergleichspersonen tatsächlich bei der Übernahme des Betriebsratsamtes mit dem Kläger vergleichbar waren und eine betriebsübliche Entwicklung erfahren haben. Diese Frage musste weder vom LAG noch vom BAG geprüft werden, weil sowohl der Kläger als auch die Beklagte dieses im Verfahren übereinstimmend vorgetragen und die Vergleichbarkeit vor dem Arbeitsgericht unstreitig gestellt haben.

Das LAG habe bei seiner Betrachtung auch zutreffend auf den Zeitraum seit der erstmaligen Heranziehung des Klägers als Ersatzmitglied am 04.07.2000 bis zum mit der Klage geltend gemachten Anpassungszeitpunkt am 01.01.2014 abgestellt. Der Kläger sei zwar erst im März 2002 reguläres Mitglied des Betriebsrats geworden. Wenn ein Arbeitnehmer aber bereits zuvor Ersatzmitglied sei, sei auf den gesamten Zeitraum ab dem erstmaligen Nachrücken des Ersatzmitgliedes abzustellen, wenn zwischen den einzelnen Vertretungsfällen und schließlich der erstmaligen Berufung in das Amt des regulären Betriebsratsmitgliedes ein Zeitraum von jeweils weniger als einem Jahr liege. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.

Das LAG habe allerdings die Vergleichsberechnung der Gehaltsentwicklung des Klägers mit der Gehaltsentwicklung der Vergleichspersonen im Zeitraum vom Juli 2000 bis zum 01.01.2014 unzutreffend vorgenommen. Während die beiden Vergleichspersonen Herr J und Herr P im Juli 2000 bereits zum OT-Bereich gehörten und übertariflich vergütet wurden, gehörten sowohl der Kläger als auch die Vergleichsperson Herr R damals noch zu den tariflich vergüteten Arbeitnehmern und rückten erst später in den OT-Bereich auf. Die Gehälter der Mitarbeiter des OT-Bereichs wurden aber seit dem Jahr 2004 nicht mehr um den gleichen Prozentsatz erhöht wie die Tarifentgelte. Vielmehr belief sich die Vergütungserhöhungen der OT-Angestellten auf den nominellen Erhöhungsbetrag der höchsten Tarifgruppe zuzüglich einer Verantwortungszulage. Damit fielen die aus Anlass von Tariferhöhungen vorgenommenen Gehaltserhöhungen innerhalb der Gruppe der OT-Angestellten einerseits und der Tarifmitarbeiter andererseits seit dem Jahr 2004 prozentual in unterschiedlicher Höhe aus. Das sei vom Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt worden.

Wie das BAG weiter ausführte, haben sowohl der Kläger als auch die Vergleichspersonen anlässlich der Tariferhöhungen die im Betrieb für ihren jeweiligen Status (Tarifangestellter/OT-Angestellter) übliche Gehaltserhöhung erhalten. Deshalb sei die Gehaltsentwicklung des Klägers nicht hinter derjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückgeblieben und der Kläger könne aus den anlässlich der Tariferhöhungen gewährten Vergütungserhöhungen keine Ansprüche auf Gehaltserhöhungen geltend machen.

Es seien jedoch die unabhängig von den Tariferhöhungen erfolgten individuellen Vergütungserhöhungen zu berücksichtigen. Dabei sei aufgrund der geringen Größe der Vergleichsgruppe auf den Durchschnitt der individuellen Vergütungserhöhungen der Vergleichspersonen abzustellen.

Das BAG hat die Angelegenheit an das LAG zurückverwiesen. Das LAG wird zu ermitteln haben, in welchem prozentualen Umfang das Gehalt der Vergleichspersonen außerhalb der regelmäßigen Tarifsteigerungen im Zeitraum von Juli 2000 bis zum 01.01.2014 angehoben wurde. Der Kläger hat dann Anspruch darauf, dass sein Gehalt in der Höhe vom Juli 2000 neben den anlässlich der Tariferhöhungen gewährten Gehaltssteigerungen zusätzlich um den durchschnittlichen Prozentsatz der Gehaltssteigerungen der Vergleichspersonen erfolgt. (BAG vom 21.02.2018 – 7 AZR 496/16).

Hinweise von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto:

Die Entscheidung bewegt sich auf der Linie der Rechtsprechung des BAG der letzten Jahre. Gleichwohl kann die vom BAG vorgenommene Differenzierung der Vergütungserhöhungen des Tarifbereiches und des außertariflichen Bereiches nicht überzeugen. Nach Auffassung des BAG ist hier eine getrennte Betrachtung vorzunehmen: Wenn die anlässlich von Tariferhöhungen im OT-Bereich geleisteten Vergütungserhöhungen einem anderen System folgten als die Vergütungserhöhungen im Tarifbereich werde ein Betriebsratsmitglied nicht benachteiligt, wenn sich seine Vergütungserhöhungen nach den Regelungen der Mitarbeitergruppe, zu der er gehört, richte.

Auf den ersten Blick erscheint das nachvollziehbar. Hier gehörten zur Vergleichsgruppe aber unstreitig ein Mitarbeiter, der wie das Betriebsratsmitglied zum Tarifbereich gehörte, und zwei Mitarbeiter aus dem OT-Bereich. Die vom Kläger zu verrichtende Tätigkeit gehörte also zum Grenzbereich des Tarifbereichs und des OT-Bereichs. Wäre der Kläger als Mitglied des Betriebsrats als einziger dieser insgesamt vier vergleichbaren Mitarbeiter im Tarifbereich verblieben und hätten die übrigen Mitarbeiter im OT-Bereich anlässlich von Tariferhöhungen jeweils höhere Vergütungserhöhungen erhalten, so würde das in der Logik des BAG keine Benachteiligung darstellen. Diese Logik erscheint wenig überzeugend.

Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass der Arbeitgeber es dem Betriebsratsmitglied einfach gemacht hat, den Prozess zu führen, in dem der Arbeitgeber im Prozess zugestanden hat, dass es sich bei den drei Vergleichspersonen um vergleichbare Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung handelte. Wird die Richtigkeit der Auswahl der Vergleichspersonen im Rahmen eines solchen Rechtsstreits bezweifelt, muss das Betriebsratsmitglied sorgfältig vorgehen, um seinen Anspruch begründen zu können.

Gericht:

Bundesarbeitsgericht

Datum der Entscheidung:

21.02.2018

Aktenzeichen:

7 AZR 496/16