BAG: Hemmung einer Ausschlussfrist wegen Vergleichsverhandlungen und die Frage, ob Mindestlohnansprüche in Verfallklauseln ausgeklammert sein müssen
Ausgangsfall
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Der zwischen ihnen bestehende Arbeitsvertrag enthält eine sogenannte doppelte Ausschlussfrist, bei der in der ersten Frist die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs und innerhalb der daran anschließenden zweiten Frist die gerichtliche Geltendmachung verlangt wird. Die Parteien hatten außergerichtlich über die Erfüllung der Zahlungsansprüche so lange im Ergebnis erfolglos verhandelt, dass danach die Frist zur klageweisen Geltendmachung verstrichen war. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht hatte deshalb die Zahlungsklage abgewiesen und das Landesarbeitsgericht auch die dagegen eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Entscheidung
Das BAG hat das Urteil des LAG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das LAG zurückverwiesen. Nach seiner Einschätzung hatte der Kläger die dreimonatige Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung trotz Verstreichens des Dreimonatszeitraums seiner Ansprüche gewahrt, weil die Frist für die Dauer der Vergleichsverhandlungen entsprechend § 203 S. 1 BGB gehemmt gewesen sei. In zweiter Instanz hatte zuvor das LAG Nürnberg noch argumentiert, die Vorschrift sei nur auf den Ablauf einer Verjährungs-, nicht aber einer Verfallfrist anzuwenden.
Ausdrücklich offengelassen hat das BAG die spannende Frage, ob eine Verfallklausel nicht ohnehin unwirksam ist, wenn der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Klausel ausgenommen wird. Das undesarbeitsgericht hätte durchaus Gelegenheit zu einer entsprechenden Befassung mit diesem Thema gehabt, weil das LAG entschieden hatte, dass die unterbliebene Ausklammerung der allein nicht insgesamt zur Unwirksamkeit der Klausel führe, sondern nur hinsichtlich etwaiger Ansprüche auf Mindestlohn.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Die Entscheidung bedeutet eine wichtige Klärung von großer praktischer Relevanz, denn häufig haben beide Seiten die zweite Frist einer sogenannten doppelten Ausschlussfrist nicht im Auge, sondern verhandeln nach der erstmaligen Geltendmachung eines Anspruchs gemeinsam über den geltend gemachten Anspruch. Es liegt im Interesse aller Beteiligten, dass nunmehr klargestellt ist, dass diese Verhandlungen die Klagefrist hemmen.
Leider hat das BAG die Gelegenheit nicht auch dazu genutzt, die mindestens ebenso relevante Frage zu klären, ob die vielfach fehlende Ausklammerung von Ansprüchen auf Zahlung des Mindestlohns die völlige Unwirksamkeit einer Verfallklausel zur Folge haben kann. Vorsorglich sollten Verfallklauseln also weiterhin mit einer entsprechenden Ausklammerung formulieret werden, um zu einer rechtssicheren Gestaltung der Verfallklausel zu gelangen.
Gericht:
BAG
Aktenzeichen:
5 AZR 262/17 (LAG Nürnberg)
Datum der Entscheidung:
20.06.2018