Insolvenzverwalter können Lohnzahlungen kurz vor der Insolvenz nicht ohne weiteres anfechten
Lohnzahlungen wenige Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind regelmäßig nicht anfechtbar. Besteht noch der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang mit der Gegenleistung, so
unterliegen sie als Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO. Im Übrigen kann aus mehrmonatigen Gehaltsrückständen auch nicht ohne weiteres auf die für eine Anfechtbarkeit erforderliche Kenntnis der Arbeitnehmer von der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers geschlossen
werden.
Der Kläger war bei der Schuldnerin seit Ende 2003 als handwerklicher Betriebsleiter beschäigt. Die Schuldnerin hatte die Arbeitsvergütung für ihre Arbeitnehmer bereits 2006 jeweils zeitversetzt gezahlt. Im April 2007 fand eine Betriebsversammlung statt, weil bei einem Großteil der Arbeitnehmer seit Januar 2007 die Vergütungszahlungen ausstanden.
Anfang Mai 2007 zahlte die Schuldnerin dem Kläger die Nettovergütung für Januar bis März 2007 in mehreren Teilbeträgen aus. Am 10.9.2007 wurde aufgrund eines zwei Monate zuvor gestellten Antrags das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte focht die Teilzahlungen an und forderte den Kläger zur Rückzahlung auf. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass er die erhaltene Arbeitsvergütung nicht zurückzahlen muss. Er habe zum Zeitpunkt der Vergütungszahlung keine Kenntnis von der möglichen
Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt. Der Beklagte meinte dagegen, die Insolvenzanfechtung sei nach §§ 130, 133 InsO wirksam. Der Kläger habe durch die Betriebsversammlung Kenntnis von den Umständen gehabt, aus denen zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu schließen gewesen sei. Die Vorinstanzen gaben der Klage unter Hinweis auf das Urteil des BGH vom 19.2.2009 (Az.: IX ZR 62/08) statt. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der Kläger muss die im Mai 2007 erhaltenen Beträge nicht an den Beklagten zurückzahlen. Soweit die Gehaltszahlungen der Schuldnerin im Mai 2007 der Vergütung der vom Kläger in den vorausgehenden drei Monaten erbrachten Arbeitsleistungen dienten, unterlagen sie als Bargeschäft i.S.v. § 142 InsO nicht der Anfechtung nach § 130 Abs. 1 InsO, weil noch der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang mit der Gegenleistung bestand. Im Übrigen hat der Beklagte keine Tatsachen vorgetragen, aus denen eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin abgeleitet werden könnte. Der Kläger hatte auch keine Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin schließen ließen. Er wusste zwar, dass die Schuldnerin seit mehreren Monaten mit den Vergütungszahlungen in Rückstand geraten war. Dies ließ aber noch kein eindeutiges Urteil über die Liquiditäts- und Zahlungslage der Schuldnerin zu.
Bei seiner Würdigung durfte das LAG zudem berücksichtigen, dass der Kläger keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin hatte, dass er keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hatte und dass der Schuldnerin Material noch auf Rechnung geliefert worden war. Es war auch nicht revisionsrechtlich zu beanstanden, dass das LAG des Weiteren die Kenntnis des Klägers von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO) verneint hat.
6 AZR 732/10