KAGH Bonn: Entgelttransparenzgesetz und Einsichtnahme in Bruttoentgeltlisten

Nachdem in zwei erstinstanzlichen Entscheidungen (KAG Rottenburg-Stuttgart, Urteil vom 01.10.2019, Az. AS 04/19 und GKAG Hamburg, Urteil vom 20.12.2018, Az. I MAVO 17/18) bereits der Anspruch der Mitarbeitervertretung auf Vorlage der Bruttoentgeltlisten bejaht worden war, liegt nunmehr die Revisionsentscheidung zum erstinstanzlich vom GKAG Hamburg entschiedenen Sachverhalt vor.

Anders als das GKAG Hamburg, dass nicht nur einen Anspruch auf Vorlage der Bruttoentgeltlisten bejaht, sondern aus § 26 Abs. 3 Nr. 10 Alt. 1 MAVO direkt einen Rechtsanspruch auf Vorlage einer nach Geschlecht unterscheidenden Bruttoentgeltliste hergeleitet hatte, wurde dieser Anspruch jedoch nicht ohne weitere Voraussetzungen bestätigt.

Nach dem jetzt vorliegenden Urteil des KAGH kann ein solcher Anspruch sich vielmehr erst in Verbindung mit den Aufgaben nach dem Entgelttransparenzgesetz nach Alt. 2 ergeben. Dies wiederum setzte ein konkretes Informationsverlangen von Mitarbeitern voraus. Nach Einschätzung des KAGH beabsichtigte der Normgeber, der Mitarbeitervertretung die Aufgabe der Auskunftserteilung zu übertragen, die der Gesetzgeber im Entgelttransparenzgesetz nach § 13 EntgtranspG für den Betriebsausschuss vorgesehen hat. Ohne diese Regelung wäre allein der Dienstgeber für die Abwicklung von Auskunftsansprüchen von Mitarbeitern zuständig gewesen. Mit  der Neuregelung  von § 26 Abs.3 Nr. 10 MAVO  fällt  der MAV  jetzt  die Aufgabe zu, Beschäftigten nach den Regeln des  Entgelttransparenzgesetzes  auf  deren konkrete Auskunftsanträge hin Auskunft zu erteilen. In Umsetzung von § 14 Absatz 1 und § 15 Absatz 2 EntgTranspG hat der Gesetzgeber in § 13 Absatz 3 EntgTranspG Regelungen zur Erfüllung dieses Anspruches getroffen und im Falle eines konkreten Auskunftsverlangens ist der Dienstgeber gegenüber der MAV dementsprechend zur Vorlage der nach Geschlecht unterscheidenden Listen verpflichtet.

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Das Urteil bestätigt zunächst den für den Bereich des Betriebsverfassungsrechts seit vielen Jahren ständiger Rechtsprechung entsprechenden Grundsatz, dass die MAV Anspruch auf Vorlage der Bruttoentgeltlisten hat und dies schon allein deshalb, weil sie ohne weitere Voraussetzungen nur so ihrer Aufgabe auf Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben des AGG nachkommen kann. Dieser Anspruch der MAV ist also nicht vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig.

Anders sieht dies der KAGH für den Anspruch auf Vorlage der nach Geschlecht unterscheidenden Bruttoentgeltlisten. Auch diesen Anspruch bejaht der KAGH zwar, leitet ihn aber nicht wie das GKAG Hamburg direkt aus § 26 Abs.3 Nr.10 MAVO ab, sondern verlangt zuvor ein konkretes mitarbeiterseitiges Informationsverlangen. Liegt dieses aber vor, besteht für die MAV auch der Anspruch auf die nach Geschlechtern unterscheidenden Bruttoentgeltlisten.

 

Gericht:

KAGH Bonn

Datum der Entscheidung:

22.11.2019

Aktenzeichen:

M 07/19