Kündigung gegenüber einem minderjährigen Auszubildenden: Zugang bereits bei Einwurf in den Briefkasten der Eltern

Soll einem minderjährigen Auszubildenden in der Probezeit gekündigt werden, so muss die Kündigung seinem gesetzlichen Vertreter (in der Regel den Eltern) zugehen. Hierfür reicht es aus, dass die Kündigung vor Ablauf der Probezeitin den Hausbriefkasten der Familie eingeworfen wird. Die Kündigung geht den Eltern in diesem Fall selbst dann zu, wenn sie gerade verreist sind.

Der damals 17 Jahre alte Kläger hatte am 1.8.2008 eine Ausbildung bei der Beklagten begonnen. Am letzten Tag der dreimonatigen Probezeit erklärte der Ausbilder mit Schreiben vom 31.10.2008 die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses. Das Schreiben war gerichtet an den Kläger, gesetzlich vertreten durch seine Eltern, und wurde durch Boten am selben Tag in den gemeinsamen Hausbriefkasten des Klägers und seiner an diesem Tag verreisten Eltern eingeworfen. Zwei Tage später fand der Kläger das Kündigungsschreiben im Briefkasten. Er benachrichtigte seine Eltern telefonisch von der Kündigung. Nach ihrer Rückkehr am 3. oder 4.11.2008 erhielten sie tatsächlich Kenntnis von dem Kündigungsschreiben. Mit einem anwaltlichen Schreiben, das am 13.11.2008 beider Beklagten einging, wies der Kläger die Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB zurück, weil der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beigefügt war. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Ausbildungsverhältnisses. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt; das LAG wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hattekeinen Erfolg.

Die Beklagte hat das Ausbildungsverhältnis mit dem Kläger wirksam gekündigt. Während der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis gem. § 22 Abs. 1 BBiG sowohl vom Auszubildenden als auch vom Ausbildenden jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Die Kündigung muss allerdings noch während der Probezeit zugehen. Ist der Auszubildende – wie hier der Kläger – minderjährig und damit nach § 106 BGB nur beschränkt geschäftsfähig, wird die Kündigung nach § 131 Abs. 2 BGB erst dann wirksam, wenn sie seinem gesetzlichen Vertreter zugeht. Hierfür reicht es aus, wenn die Kündigungserklärung mit dem erkennbaren Willen abgegeben wird, dass sie den gesetzlichen Vertreter erreicht, und wenn sie tatsächlich in den Herrschaftsbereich des gesetzlichen Vertreters gelangt.
Nach diesen Grundsätzen ist dem Kläger die Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses noch innerhalb der Probezeit zugegangen. Die Kündigung wurde gegenüber den Eltern des Klägers als dessen gesetzlichen Vertretern erklärt. Mit dem Einwurf in den gemeinsamen Briefkasten der Familie war der Zugang der Kündigung bewirkt. Dem stand die Ortsabwesenheit der Eltern nicht entgegen. Dennfür den Zugang der Kündigung reichte es aus, dass das Schreiben in den Herrschaftsbereich der Eltern gelangt war und diese es unter normalen Umständen zur Kenntnis nehmen konnten. Der Kläger hat die Kündigung auch nicht wirksam gem. § 174 BGB zurückgewiesen. Hiernach ist eine Kündigung, die ein Bevollmächtigter erklärt, von dessen Bevollmächtigung der Gekündigte nicht zuvor durch den Vollmachtgeber in Kenntnis gesetzt wurde, unwirksam, wenn der Kündigung keine Vollmachtsurkunde beigefügt ist und der Gekündigte die Kündigung aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Zurückweisung einer
Kündigungserklärung nach einem Zeitraum von mehr als einer Woche ist ohne das Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalls nicht mehr unverzüglich i.S.d. § 174 Satz 1 BGB.

Aktenzeichen:

6 AZR 354/10