Kündigungen bei Schlecker – pro und contra Kündigungsschutzklage


Anfang April haben etwa 10.000 Mitarbeiter von Schlecker eine Kündigung erhalten. Dabei stellen sich für die Betroffenen viele Fragen. Die wichtigste lautet wohl:

„Kann ich etwas gegen die Kündigung tun oder muss ich diese hinnehmen?“

Niemand muss eine Kündigung hinnehmen – jede/r Betroffene/r kann etwas gegen die Kündigung tun. Aber etwas tun zu können, heißt nicht, etwas tun zu müssen. Deshalb haben wir die wichtigsten Fragen und Antworten für Sie zusammengefasst.

Ich habe von Schlecker eine Kündigung erhalten. Ist diese wirksam?

Auf diese Frage gibt es keine pauschale Antwort, weil jeder Fall für sich zu beurteilen ist. Für alle Kündigungen gilt aber Folgendes:

Vorweg: Wenn Sie nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben, gilt die Kündigung kraft Gesetzes als wirksam. Wenn Sie etwas dagegen tun möchten, müssen Sie rechtzeitig eine Kündigungsschutzklage erheben.

Ansonsten gilt: Eine wirksame Kündigung setzt zunächst einen Kündigungsgrund voraus. Ein solcher könnte beispielsweise dann vorliegen, wenn die Filiale, in der Sie tätig waren, geschlossen wurde oder wird.

Auch wenn ein Kündigungsgrund vorliegt, ist eine solche betriebsbedingte Kündigung aber nur dann wirksam, wenn der Insolvenzverwalter auch die Sozialauswahl beachtet hat. Wenn eine Filiale geschlossen wird, kann also nicht einfach gegenüber allen in der Filiale tätigen Mitarbeitern eine Kündigung erklärt werden. Stattdessen ist im gesamten Betrieb, der eine Vielzahl von Filialen erfasst, zu ermitteln, wer sozial am wenigsten schutzwürdig ist. Dabei sind die Kriterien

  • Lebensalter,
  • Betriebszugehörigkeit,
  • Unterhaltspflichten und
  • eigene Schwerbehinderung

zu berücksichtigen. Die 50-jährigen Mutter zweier Kinder, die seit 20 Jahren bei Schlecker arbeitet, darf deshalb keine betriebsbedingte Kündigung erhalten, wenn im Betrieb seit fünf Jahren eine 25-jährige ledige und kinderlose Kollegin tätig ist, die die gleichen Tätigkeiten in einer anderen Filiale verrichtet und keinen besonderen Kündigungsschutz für sich in Anspruch nehmen kann.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl formaler Fehler, an denen immer wieder die Wirksamkeit einer Kündigung scheitert. So muss der Betriebsrat vor der Kündigung nicht nur informiert, sondern ordnungsgemäß angehört und es muss bei solchen Massenentlassungen bei der Agentur für Arbeit im Regelfall eine Massenentlassungsanzeige erstattet worden sein – dabei lauern auch für erfahrene Insolvenzverwalter und Arbeitgeber viele Fallen, die immer wieder zur Unwirksamkeit der Kündigung führen können.

Ich bin schwerbehindert. Trotzdem habe ich eine Kündigung erhalten. Ist das zulässig?

Das Gesetz verbietet die Kündigung schwerbehinderter oder diesen gleichgestellter Menschen nicht. Es macht die Wirksamkeit der Kündigung aber von der Zustimmung des Integrationsamtes abhängig. Wenn Schlecker oder der Insolvenzverwalter eine Kündigung ausgesprochen haben, ohne dass die erforderliche Zustimmung vorliegt, ist die Kündigung deshalb unwirksam. Aber Vorsicht: Der Arbeitgeber muss, wenn ihm die Schwerbehinderung oder Gleichstellung nicht bekannt war, unbedingt innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung darüber informiert werden – anderenfalls können Sie sich darauf nicht mehr berufen. Darüber hinaus muss natürlich innerhalb der gleichen Frist auch eine Kündigungsschutzklage erhoben werden.

Gibt es noch weitere Gruppen von Menschen mit besonderem Kündigungsschutz?

Ja, die gibt es. Sogar sehr viele. Hier nur eine kleine Aufzählung. Besonderen Kündigungsschutz können

  • Schwerbehinderte,
  • Ehrenbeamte,
  • Schwangere,
  • Elternzeitler,
  • Mütter in Mutterschutzurlaub und die
  • Mitglieder von,
  • Betriebsräten,
  • Schwerbehindertenvertretungen,
  • Stadtverordneten- oder Gemeindevertreterversammlungen,
  • Ausländerbeiräten und
  • Kreistagen,

in Anspruch nehmen. Die Kündigung dieser Personengruppen bedarf zum Teil eines wichtigen Grundes, zum Teil aber auch der vorherigen Zustimmung einer Behörde oder eines Gerichts.

Ich glaube, dass meine Kündigung unwirksam ist. Was muss ich tun?

Wenn Ihre Kündigung unwirksam ist, müssen Sie in jedem Fall innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben. Unterlassen Sie das, so wird Ihre Kündigung kraft Gesetzes als wirksam gelten und Sie können im Regelfall nichts mehr tun.

Auch wenn meine Kündigung unwirksam sein sollte: Meine Filiale, in der ich immer gearbeitet habe, ist geschlossen. Lohnt sich dann überhaupt eine Kündigungsschutzklage?

Diese Frage können wir Ihnen erst dann abschließend beantworten, wenn wir mehr von Ihnen wissen. Wenn Ihr Arbeitgeber bei der Kündigung alles richtig gemacht hat, lohnt es sich meist nicht, eine Klage zu erheben. Wenn die Kündigung aber unwirksam sein könnte, sollten Sie eine Klage ernsthaft in Erwägung ziehen. Sehr häufig enden solche Verfahren damit, dass sich die Parteien darauf einigen, dass der Arbeitgeber eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsverhältnisses zahlt. Oder Sie werden bei einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage in einer anderen Filiale weiterbeschäftigt. Es gibt also viele Gründe, die für eine Klage sprechen können. Wie es genau in Ihrem Fall aussieht und was für Sie das Beste ist, können wir gerne mit Ihnen besprechen. Damit Sie keine Chance ungenutzt lassen, aber auch keine unnötigen Ausgaben haben.

Brauche ich einen Rechtsanwalt oder kann ich auch selbst eine Klage erheben?

Nein, sie brauchen keinen Rechtsanwalt. Sie können auch zum zuständigen Arbeitsgericht gehen und die Klage dort in der Rechtsantragsstelle selbst erheben. Dort wird man Ihnen gern weiterhelfen.
Aber die Gegenseite wird gute Anwälte haben. Wenn Sie Ihre Klage gewinnen wollen, sollten Sie deshalb auf einen guten Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht vertrauen können – Sie werden nicht tagtäglich solche Prozesse führen und es wäre schade, wenn Ihr Erfolg daran scheiterte, dass die gegnerischen Anwälte sich in den Untiefen des Arbeitsrechts besser auskennen als Sie.

Wenn Sie Fragen haben – sprechen Sie uns an.

Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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