LAG Baden-Württemberg: Verdachtskündigung und formularmäßiger Verzicht auf Klagerecht
Nachdem die Tageseinnahmen aus einem in der Filiale befindlichen Tresor des Arbeitgebers entwendet worden waren und der Zeitraum der Entwendung nicht geklärt werden konnte, sprach der Arbeitgeber gegenüber allen drei Mitarbeiterinnen, die an jenem Tag abwechselnd den Schlüssel zum Tresor inne hatten, eine außerordentliche, fristlose Kündigung aus und stützte diese auf den Verdacht einer Straftat. Die Mitarbeiterinnen unterschrieben zudem ein Formular, in dem sie auf eine Klage gegen die Kündigung verzichteten. Die Klägerin besann sich später und erhob eine Klage gegen die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung. Nachdem das Arbeitsgericht Stuttgart die Klage abgewiesen hatte, legte die Kassiererin Berufung ein.
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und gab der Klage der Kassiererin statt. Diese habe durch ihre Unterschrift auf dem Formular nicht wirksam auf ihr Klagerecht verzichtet. Zwar sei solches generell möglich, die hier verwendete Klausel in einem Formular unterliege jedoch gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle. Durch den formularmäßigen Ausschluss einer Klage werde die Klägerin unzumutbar benachteiligt, weil keine kompensatorische Gegenleistung durch den Arbeitgeber erfolgt sei. Die Verdachtskündigung als solche sei unwirksam, weil der Arbeitgeber keinen hinreichenden Tatverdacht dargelegt habe. Es reiche nicht aus, wenn nur feststehe, dass eine von drei Mitarbeitern die Tageseinnahmen entwendet habe.
(LAG Baden-Württemberg vom 19.07.2006, 2 Sa 123/05)