LAG Berlin-Brandenburg: Beweisverwertungsverbot bei Überwachung des Arbeitnehmers durch eine Detektei

Das Landesarbeitsgericht hatte u.a. über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Arbeitgeberkündigung zu entscheiden. Dem gekündigten Arbeitnehmer, der seit dem 01.05.1990 zuletzt als Vertriebsleiter der Beklagten beschäftigt war, wurde ein Arbeitszeitbetrug sowie der Betrug über eingereichte Spesenabrechnungen vorgeworfen. Die Vorwürfe stütze die Arbeitgeberin dabei vornehmlich auf Erkenntnisse, die sie durch die Überwachung des Arbeitnehmers durch eine Detektei gewonnen hatte.

 

Die Detektei hatte im Auftrag der Arbeitgeberin den Kläger u.a. am 02.04.2019 beobachtet. Nach dem Beobachtungsbericht verließ zunächst die Ehefrau des Klägers das Haus und wurde von Mitarbeiten der Detektei bei ihrer Fahrt mit dem Firmenwagen und dem Aufsuchen einer Fußpflegepraxis beobachtet. Der Kläger selbst verließ das Haus mit dem Firmenwagen um 11:58 Uhr, tätigte in der Folgezeit diverse Einkäufe, entlud Altglas, betankte und reinigte den Wagen, betrat um 13:14 Uhr eine Metzgerei und aß dort zu Mittag. Die Detektei erstellte unter Einsatz von vier Mitarbeitern eine umfassende Fotodokumentation.

 

Der Kläger reichte im Mai seine Reisekostenabrechnung für April 2019 ein. Für den 02.04.2019 ist darin angegeben: Beginn 08:00 Uhr, Ende 17:30 Uhr, Anzahl Stunden abwesend 09:30, Zweck der Reise: Finsterwalde Projektbesprechung, steuerfreier Pauschbetrag 2,40, Verpflegung 5,30.

 

Mit Schreiben vom 13.05.2019 erklärte die Beklagte sodann die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Kündigung und vertritt die Auffassung, die Überwachung seiner Person und sogar seiner Ehefrau durch insgesamt vier Personen, nebst Erstellung zahlreicher Fotos, stelle eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Die Voraussetzungen einer ausnahmsweise zulässigen Überwachung lägen nicht vor, da diese ins Blaue hinein erfolgt sei.

 

Sowohl das erstinstanzliche Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg haben festgestellt, dass in den Angaben des Klägers für den 02.04.2019 in der Reisekostenabrechnung grundsätzlich eine erhebliche Pflichtverletzung zu erkennen sei. Dies ergebe sich aus einem Abgleich der Angaben des Klägers und den Feststellungen der Detektei aufgrund der Überwachung. Die Feststellungen der Detektei und der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten sind allerdings nicht verwertbar, so das LAG.

Es sei davon auszugehen, dass sich ein Beweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts ergeben kann. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG gegebenen Bindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung müsse das Gericht prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist. Das Grundrecht schütze neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden. Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) konkretisieren die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung und des Schutzes des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Deshalb liege nur bei einer nach den Vorschriften des BDSG zulässigen Datenerhebung eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild nicht vor. Maßgeblich, so das LAG, sei insoweit die Regelung in § 26 Abs. 1 BDSG, die eine spezifische Vorschrift im Sinne von Art. 88 DS-GVO darstelle. Das Observieren eines Arbeitnehmers durch einen – bzw. mehrere – Detektive ist eine Form der Datenerhebung. In einer solchen Datenerhebung liegt zugleich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme zur Aufklärung einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung ein auf konkrete Tatsachen gegründeter Verdacht für das Vorliegen einer solchen Pflichtverletzung bestehen. Eine verdeckte Ermittlung „ins Blaue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 26 Abs. 1 BDSG unzulässig.

 

Einen solch erforderlichen, auf konkrete Tatsachen gegründete Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung vor Anordnung der Überwachung, konnte das LAG vorliegend nicht feststellen. Ein solcher sei ebenfalls nicht aus den Behauptungen der Arbeitgeberin abzuleiten, wonach der Kläger einen Umsatzrückgang nicht überzeugend habe erklären können oder dass ein grundsätzliches Informationsinteresse des Arbeitgebers bestehe, ob ein Arbeitnehmer weiterhin so gut wie möglich arbeite. Selbst wenn ein Arbeitnehmer nur sehr pauschale Angaben in einer Reisekostenabrechnung zu dem von ihm durchgeführten Tätigkeiten mache, genüge dies nicht für das Vorliegen eines begründeten Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, um darauf die Überwachung durch eine Detektei zu rechtfertigen.

Damit sei die Datenerhebung in unzulässiger Art und Weise erfolgt, woraus wiederum ein Verbot der Verwertung dieser heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnisse folge. Eine Verwertung wäre mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht vereinbar, weil hierfür vom Gericht auf die Berichte der Detektei zurückgegriffen werden müsste. Das LAG hat insofern festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 13.05.2019 aufgelöst worden ist.

 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:

Die Überlegungen und Schlussfolgerungen hinsichtlich eines Beweisverwertungsverbotes bei unzulässiger Datenerhebung durch den Arbeitgeber, wie sie das LAG Berlin-Brandenburg angestellt hat, sind gewiss nicht neu, sondern entsprechen vielmehr der bisherigen Rechtsprechung des BAG. Allerdings hat das LAG zutreffend darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des § 26 Abs. 1 BDSG dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 der vorherigen Fassung des BDSG entspreche, sodass davon ausgegangen werden müsse, dieser in § 26 Abs. 1 BDSG nF verankerte Erlaubnistatbestand für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext sei ebenso zu verstehen wie bislang § 32 Abs. 1 BDSG aF. Damit hat das LAG klargestellt, dass sich aus der nunmehr in Kraft getretene DS-GVO und dieser zugrunde liegende Bewertungen sowie aus der neuen Fassung des BDSG jedenfalls keine geringeren Anforderungen an den Beschäftigtendatenschutzes ergeben.

Der Beschluss des BAG (10 AZR 185/20 (A)) liegt bislang nur als Pressemitteilung Nr. 40/20 vor. Grundsätzlich gilt gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG, dass ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden darf als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann möglich, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Eine von diesem Grundsatz abweichende Vereinbarung ist gemäß § 22 TzBfG auch durch einen Tarifvertrag nicht zulässig. Die Antwort auf die Frage, ab wann eine unzulässige Ungleichbehandlung vorliegt, wirft in der Praxis häufig Schwierigkeiten auf. Jedenfalls, so das BAG in seinem Urteil vom 19.12.2018 (10 AZR 231/18), müsse auf den Sinn und Zweck der Zahlung einer zusätzlichen Vergütung abgestellt werden. In dieser Entscheidung aus dem Jahre 2018 hatte das BAG festgestellt, dass Überstundenzuschläge bereits für die zusätzlich geleistete Arbeitszeit zu zahlen sind, die über die individuell festgelegte Arbeitszeit hinausgeht. Die Frage nach dem Sinn und Zweck der Mehrflugdienststundenvergütung wird daher auch im vorliegenden Verfahren beantwortet werden müssen, um eine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen Voll- und Teilzeitkräften bestätigen oder ablehnen zu können.

 

Gericht:

LAG Berlin-Brandenburg

Datum der Entscheidung:

11.09.2020

Aktenzeichen:

9 Sa 584/20