LAG Berlin-Brandenburg: Häusliche Umkleidezeiten als Arbeitszeit
Verfahrensgegenständlich war die Klage eines Wachpolizisten gegen seinen Dienstherrn, wobei das beklagte Land unter anderem auf Vergütung für nicht anerkannte Umkleide- und Rüstzeiten in Anspruch genommen wurde. Der Wachpolizist war im Objektschutz eingesetzt und hatte geltend gemacht, jeweils zu Hause seine Uniform an- und abzulegen und dort auch seine Dienstwaffe zu laden und zu entladen. Hierzu hatte er unter anderem einen privaten Waffenschrank angeschafft.
Im Ergebnis hat das LAG nunmehr entschieden, dass nur die vom Wachpolizisten geltend gemachten Umkleide- und Rüstzeiten, nicht aber die Zeiten für das Laden und Entladen der Waffe, wie Arbeitszeit gemäß § 611 BGB ab dem 01.04.2016 zu vergüten sind, da diese Tätigkeiten unter Anwendung der vom BAG aufgestellten Kriterien ausschließlich fremdnützig sind.
Die anzulegende Uniform mit dem breiten Aufdruck „Polizei“ sei demnach „besonders auffällig“ im Sinne dieser Rechtsprechung. Ausreichend hierfür sei ein Uniformcharakter (BAG 12.11.2013 – 1 ABR 59/12).
Zudem verschwinde der auffällige Charakter auch nicht dadurch, dass der Kläger in einem PKW den Weg zum Einsatzort zurücklegt. Mindestens der Weg von der Wohnung zum Parkplatz des Privatautos und der weitere Weg von Parkplatz am Einsatzort zum jeweiligen Bewachungsobjekt lassen den Kläger als Angehörigen der Polizei erkennbar werden. Entscheidend sei zudem darauf abzustellen, dass das häusliche Anlegen der Uniform und der persönlichen Schutzausrüstung im vorliegenden Fall ausschließlich fremdnützig erfolgt, weil eine zumutbare Umkleidemöglichkeit an den Einsatzobjekten nicht vorhanden ist.
Demgegenüber stelle das häusliche Laden und Entladen der Waffe keine vergütungspflichtige Arbeitszeit dar, da diese Tätigkeiten zwar auch fremdnützig, aber nicht ausschließlich fremdnützig sind. Dies begründet das LAG damit, dass es dem Kläger freigestellt war, insofern das dienstliche oder häusliche Waffenschließfach zu nutzen. Im Gegensatz zu den Umkleidemöglichkeiten bestand demnach in diesem Fall eine zumutbare Alternative.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Die Entscheidung setzt konsequent die Rechtsprechung des BAG um. Danach gehören zu den „versprochenen Diensten“ i.S.d. § 611 BGB nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt (BAG 6. September 2017 – 5 AZR 382/16; 25. April 2018 – 5 AZR 245/17). Um vergütungspflichtige Arbeit handelt es sich demnach bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung. Diese Grundsätze wendet das LAG jetzt auch auf das häusliche Umziehen an. Interessant ist auch, dass das LAG in Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH den Einwand des beklagten Landes, der Wachpolizist habe sich teilweise auch am Objekt umgezogen, nicht geltend lässt. Das LAG weist dazu darauf hin, dass die Aufzeichnung der Arbeitszeit dem Dienstherrn oblegen hätte und ein Verstoß dagegen dazu führt, dass er mit diesem pauschalen Einwand nicht gehört werden könne.
Gericht:
LAG Berlin-Brandenburg
Datum der Entscheidung:
21.08.2019
Aktenzeichen:
15 Sa 575/19