LAG Düsseldorf: Berücksichtigung von Zeiten vor 25. Lebensjahr bei Kündigungsfrist?
Die Bestimmung von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB sieht vor, dass bei der Verlängerung der Kündigungsfrist nur Zeiten der Betriebszugehörigkeit nach Vollendung des 25. Lebensjahres berücksichtigt werden. Wir hatten im Zusammenhang mit dem Manteltarifvertrag RWE bereits bereits darauf hingewiesen, dass diese Regelung im Hinblick auf die dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zugrunde liegenden EU-Richtlinien erheblichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Das LAG Düsseldorf hat nun über die Klage einer 29 Jahre alten Arbeitnehmerin zu entscheiden. Diese war seit Juni 1996 beschäftigt und erhielt aufgrund einer Betriebsstilllegung im Dezember 2006 eine Kündigung zu Ende Januar 2007. Der Arbeitgeber beruft sich dabei auf die Bestimmung von § 622 Abs. 2 BGB. Auch nach dieser Bestimmung soll für die Länge der Kündigungsfrist die Zeit der Betriebszugehörigkeit vor Vollendung des 25. Lebensjahres unberücksichtigt bleiben. Hätte die Arbeitnehmerin bei Beginn des Arbeitsverhältnisses das 25. Lebensjahr bereits vollendet, so hätte die Kündigungsfrist nicht zwei sondern fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats betragen. Das LAG Düsseldorf hat Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelung mit Europäischem Recht und deshalb den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen.
Der EuGH wird nun darüber zu entscheiden haben, ob das Europäische Recht es zulässt, bei der Berechnung der Kündigungsfrist Zeiten vor Vollendung des 25. Lebensjahres unberücksichtigt zu lassen. Dabei hat der EuGH aber nur über die Auslegung des europäischen Rechts zu entscheiden. Deshalb wird der EuGH gegebenenfalls auch die Frage zu beantworten haben, ob es mit europäischen Recht vereinbar ist die Bestimmung von § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB weiterhin anzuwenden. (Landesarbeitsgericht Düsseldorf v. 21.11.2007 Az. 12 Sa 1311/07)
Hinweis von Rechtsanwalt Rolf-Christian Otto: Die Entscheidung des EuGH wird weitreichende Folgen haben. Nachdem der deutsche Gesetzgeber – trotz vieler warnender Stimmen – die Frage der Anwendbarkeit des AGG auf Kündigungen in der Weise zu lösen versucht hat, dass das AGG auf Kündigungen keine Anwendung finden soll, wird diese gesetzgeberische Entscheidung nunmehr mittelbar auf den Prüfstand des EuGH gestellt. Dabei wird festzustellen sein, dass es im deutschen Arbeitsrecht diverse Bestimmungen gibt, deren Vereinbarkeit mit dem europäischen Antidiskriminierungsrecht zumindest ungeklärt ist. So finden sich in vielen Tarifverträgen Regelungen, die bezüglich der Kündigungsfrist auch an das Lebensalter anknüpfen – wir hatten im Zusammenhang mit dem MTV RWE bereits darauf hingewiesen. Außerdem stellt das Lebensalter nach dem eindeutigen Wortlaut von § 1 Abs. 3 KSchG ein relevantes Auswahlmerkmal dar. Auch wird in vielen Sozialpläne, entweder unmittelbar oder mittelbar – vermittelt über die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter zur Bemessung von Sozialplanleistungen herangezogen. Diese Bestimmungen müssen nicht unwirksam sein. Gleichwohl wäre es wünschenswert gewesen wenn der Gesetzgeber diese Fragen beantwortet und die Entwicklung nicht dem EuGH überlassen hätte.
12 Sa 1311/07