LAG: Einsichtsrecht des Betriebsrats in nicht anonymisierte Bruttolohn- und Gehaltslisten ohne Überwachung seitens des Arbeitgebers

Gegenstand dieses Rechtsstreits war nicht die zwischen den Betriebsparteien unstreitige Frage, ob der Gesamtbetriebsrat Anspruch auf die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter hat, sondern ob die Kenntnisnahme der Listen in nicht anonymisierter Form zu gewährleisten ist und die Frage, ob der Betriebsrat berechtigt ist, die Einsichtnahme ohne Anwesenheit von Personen, die von der Arbeitgeberin mit dessen Überwachung beauftragt sind, vorzunehmen.

Das bestätigt ein Recht der Betriebsräte auf Einsichtnahme in die Bruttogehaltslisten ohne Überwachung durch den Arbeitgeber. Ein besonderes Überwachungsbedürfnis sei in diesem Zusammenhang nicht gegeben.

Zudem ergebe sich aus Sinn und Zweck von § 80 Abs.2 BetrVG, dass der Arbeitgeber grundsätzlich nicht berechtigt ist, lediglich Einsicht in anonymisierte Unterlagen zu gewähren. Das Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG diene insbesondere auch der Realisierung der dem Betriebsrat obliegenden Überwachungsfunktionen. Dieser Zweck könne nach Auffassung der Kammer nur erfüllt werden, wenn jeweils die Zuordnung zu einem konkreten Beschäftigten möglich ist. Erst mit Hilfe des Namens und bei Namensgleichheit der Personalnummer könne nämlich der Betriebsrat konkret feststellen, welcher Mitarbeiter welche Vergütungsbestandteile erhält, ob Mitarbeiter betroffen sind, die gegebenenfalls von der Arbeitgeberin in einer Gruppe zusammengefasst sind und welche Vergütungsbestandteile einzelne oder in Gruppen zusammengefasste Arbeitnehmer beziehen.

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

In der Praxis wird immer wieder versucht, Einsichtsrechte des Betriebsrats unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Bestimmungen zu erschweren oder abzulehnen. Das LAG schließt sich insoweit den Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19.09.2017 (7 TaBV 43/17) und des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 18.12.2018 (4 TaBV 19/17) an, wonach  § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG n. F. die Datenverarbeitung zum Zweck der Ausübung von Rechten der Interessenvertretung der Beschäftigten ausdrücklich erlaubt.

Auch die Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes sehen keine Einschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten des Betriebsrates vor, sondern deren Erweiterung, was sich schon aus § 13 Abs. 6 EntgTranspG ergibt, wonach gesetzliche und sonstige kollektiv-rechtlich geregelte Beteiligungsrechte des Betriebsrates von diesem Gesetz unberührt bleiben. Damit stärkt die Entscheidung zugleich weiter die rechtliche Stellung des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Umsetzung des Entgelttransparenzgesetzes.

 

Gericht:

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern

Aktenzeichen:

3 TaBV 10/18

Datum der Entscheidungen

15.05.2019