BAG: Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates durch die Duldung von Überstunden
In diesem Beschlussverfahren hatte der Betriebsrat eines Unternehmens einen Unterlassungsanspruch aus § 87 Abs. 1 BetrVG geltend gemacht. Hintergrund waren drei Fälle, in denen es zu zeitlichen Überschreitungen der in einer Betriebsvereinbarung festgelegten Schichtzeiten gekommen war.
Der Betriebsrat hatte deshalb die Arbeitgeberin aufgefordert, es zu unterlassen, die Ableistung von Überstunden zu dulden oder entgegen zu nehmen, ohne dass hierüber eine Einigung mit ihm herbeigeführt oder die fehlende Einigung durch eine Entscheidung der Einigungsstelle ersetzt worden wäre.
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner aktuellen Entscheidung ausgeführt, dem Betriebsrat stehe ein allgemeiner Unterlassungsanspruch aus § 87 I BetrVG nicht zu. Es fehle an einem betriebsverfassungswidrigen Verhalten der Arbeitgeberin, das auch der Unterlassungsanspruch nach § 23 III BetrVG voraussetze.
Entscheidend war für das Bundesarbeitsgericht insofern, dass die drei geschilderten Fälle allein nicht ausreichend sein, um die Annahme einer Duldung von Überstunden durch die Arbeitgeberin zu begründen. Voraussetzung für die Annahme einer entsprechenden Duldung sei vielmehr, dass der Arbeitgeber in Kenntnis der Überstundenleistungen durch Arbeitnehmer untätig bleibt und diese über einen längeren Zeitraum hinnimmt. Dagegen würden einzelne oder besonderen einmaligen Umständen geschuldete Überschreitungen der betriebsüblichen Arbeitszeit noch nicht dafür sprechen, dass der Arbeitgeber diese hinnimmt. Darüber hinaus bestehen nach Einschätzung des Bundesarbeitsgerichts zudem auch Zweifel an der für die Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 I Nr. 3 BetrVG erforderliche Wiederholungsgefahr, da die Arbeitgeberin im zu entscheidenden Sachverhalt Maßnahmen ergriffen hatte, um für die Zukunft gleichartige Störungen auszuschließen.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts enthält wichtige Hinweise für die Darlegungspflicht bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Das Bundesarbeitsgericht bestätigt zugleich, dass grundsätzlich Beteiligungsrechte des Betriebsrats auch bei der Erbringung von Überstunden durch einzelne Mitarbeiter bestehen. Insofern bleibt es auch bei der bisherigen Rechtsprechungslinie, wonach die Duldung von Überstunden Unterlassungsansprüche für den Betriebsrat auslösen kann. Entscheidend ist aber, dass hier immer eine Gesamtabwägung vorzunehmen ist, bei der unter anderem die Gesamtzahl der Fälle, der Zeitpunkt der Kenntnis des Arbeitgebers, die Frage ob die Überstunden vergütet worden sind oder nicht sowie das Verhalten des Arbeitgebers hinsichtlich einer Vermeidung gleich gelagerter Fälle in der Zukunft zu beachten sind.
Gericht:
BAG
Datum der Entscheidung:
28.07.2020
Aktenzeichen:
1 ABR 18/19