LAG Hessen: Anspruch des Wahlvorstands auf Herausgabe der privaten Anschriften der Wahlberechtigten
Im vorliegenden Fall stritten die Beteiligten im Beschwerdeverfahren noch über die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Herausgabe der Postadressen der Mitarbeiter an den Wahlvorstand.
Der Arbeitgeber hatte eingewendet, es bestehe kein Anspruch auf Herausgabe der postalischen Adressen. Unter anderem seien die Verwaltungsmitarbeiter inzwischen nicht mehr im Home-Office, sondern wieder in Büros tätig und unterfielen nicht der Regelung des § 24 Abs. 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz. Der Herausgabe der Adressen stehe der Datenschutz entgegen.
Das erstinstanzliche Arbeitsgericht Frankfurt hatte den Antrag wegen fehlendem Verfügungsgrund zurückgewiesen. Weder sei der wahlberechtigte Arbeitnehmerkreis eingegrenzt gewesen, noch eine Wählerliste erstellt. Daher sei eine Geltendmachung von Rechten zur Durchführung einer Briefwahl verfrüht. Die Herausgabe der E-Mail-Adressen bzw. postalischen Adressen würde zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen.
Auf die Beschwerde des Wahlvorstands hin hat das LAG jetzt den Arbeitgeber verpflichtet, dem Wahlvorstand die (privaten) Postadressen sämtlicher Arbeitnehmer des Betriebs bekanntzugeben.
Der diesbezügliche Anspruch ergebe sich daraus, dass der Wahlvorstand die Postadressen sämtlicher im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer benötige, um diesen die Unterlagen für die schriftliche Stimmabgabe zu übersenden. Der Wahlvorstand benötige diese zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WahlO Betriebsverfassungsgesetz obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen. Darauf, dass sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollumfänglich vorhersehen lässt, ob der Wahlvorstand tatsächlich alle privaten Anschriften der Arbeitnehmer benötigt, kommt es nicht entscheidend an.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Nach § 24 Abs. 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz erhalten Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außendienst oder mit Telearbeit Beschäftigten und in Heimarbeit Beschäftigte) die in § 24 Abs. 1 WahlO bezeichneten Unterlagen, ohne dass es eines Verlangens der Wahlberechtigten bedarf. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und zahlreichen Mitarbeiter*innen, die vom Home-Office aus tätig sind, ist dies eine wichtige Klarstellung für zukünftige Wahlen.
Gericht:
LAG Hessen
Datum der Entscheidung:
10.08.2020
Aktenzeichen:
16 TaBVGa 75/20