LAG Frankfurt: Bestreiten der wirksamen Beschlussfassung des Betriebsrats
Im vorliegenden Rechtsstreit stritten die Beteiligten über einen Unterlassungsantrag des Betriebsrats, Arbeitnehmern den Zugang zum Betrieb vor 5:45 Uhr, hilfsweise 5:30 Uhr zu verwehren. Die betriebsübliche Arbeitszeit beginnt im betroffenen Betrieb frühestens um 6:00 Uhr und endet spätestens um 0:30 Uhr. Der Zugang zum Betrieb ist in der Betriebsvereinbarung über die Ordnung des Betriebs vom 4. März 2020 geregelt und erfolgt mittels Ausweis an zwei sogenannten Vereinzelungsanlagen (Drehkreuzen). Im März 2020 stellte der Betriebsrat fest, dass sich die Drehkreuze durch den Werksausweis erst um 5:30 Uhr öffnen lassen. Er forderte die Arbeitgeber erfolglos auf, die Drehkreuze vor 5:30 Uhr mittels Werksausweis benutzen zu können. Nachdem der Arbeitgeber dies abgelehnt hat, hat der Betriebsrat ein Beschlussverfahren auf Unterlassung der Verwehrung des Zugangs vor 5:30 Uhr durch Schließung der Drehkreuze eingeleitet.
Die Arbeitgeber haben bestritten, dass der Betriebsrat in seiner Sitzung vom 10. Juni 2020 einen ordnungsgemäßen Beschluss zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens gefasst hat. Deshalb sei der Antrag bereits unzulässig. Sie haben die Auffassung vertreten, jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da die Festlegung der Öffnungszeiten des Betriebsgeländes nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege.
Sowohl das erstinstanzliche Gericht als auch die Beschwerdeinstanz haben den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen.
Entgegen der Einschätzung des Arbeitgebers habe der Betriebsrat allerdings ausreichend die ordnungsgemäße Beschlussfassung dokumentiert. Es fehle allerdings an einem Unterlassungsgrund, da die Praxis des Arbeitgebers, die Drehkreuze erst ab einer bestimmten Uhrzeit zu öffnen, nicht die Ordnung des Betriebs im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG., sondern dessen Organisation betreffe. Diese unterfalle nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Bundesarbeitsgericht 21. Juli 2009 -1 ABR 42/08- Rn. 23). Mit der Festlegung eines bestimmten Zeitpunkts, zu dem die Drehkreuze geöffnet werden, werde vielmehr lediglich der Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsgelände vor der eigentlichen Arbeitsaufnahme festgelegt. Die Berechtigung hierzu folge aber bereits unmittelbar aus dem Hausrecht des Arbeitgebers.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Neben der Frage des Unterlassungsanspruchs thematisiert die Entscheidung wichtige Fragen der ordnungsgemäßen Beschlussfassung und Dokumentation durch den Betriebsrat. Hier werden immer wieder in der Praxis erhebliche Fehlerquellen geschaffen. Der Arbeitgeber kann sich zunächst darauf beschränken, die wirksame Beschlussfassung des Betriebsrats mit Nichtwissen zu bestreiten. Der Betriebsrat hat daraufhin Ladung, Tagesordnung und Beschlussfassung im Einzelnen darzulegen. Um dies umzusetzen, kann er beispielsweise eine Fotokopie der Sitzungsniederschrift über die Betriebsratssitzung vorlegen, aus der die Beschlussfassung ersichtlich ist. Er muss dies aber nicht, sondern kann auch in einem Schriftsatz einen entsprechenden Sachvortrag halten, der es dem Arbeitgeber ermöglicht, vorzutragen, welche der zuvor vorgetragenen Tatsachen er bestreiten möchte. Sodann hat das Arbeitsgericht die wirksame Beschlussfassung aufzuklären.
Gericht:
LAG Frankfurt
Datum der Entscheidung:
08.02.2021
Aktenzeichen:
16 TaBV 185/20