LAG Hessen: Abbruch einer Betriebsratswahl
In dem zugrunde liegenden Verfahren stritten die Parteien im Rahmen einer einstweiligen Verfügung über den Abbruch einer Betriebsratswahl. Antragsteller waren 10 Arbeitnehmer eines Arbeitgebers, der seinerseits zum 01.07.2017 eine Kooperationsvereinbarung mit 2 weiteren Arbeitgebern zur Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs geschlossen hatte. Auf der Basis eines Strukturtarifvertrages war zudem vereinbart worden, dass im Gemeinschaftsbetrieb kein gemeinsamer Betriebsrat gewählt wird und stattdessen die Interessen der Arbeitnehmer jeweils durch die Betriebsräte der Ausgangsbetriebe vertreten werden. Die Antragsteller begehren mit ihrem Antrag den Abbruch der Wahl eines neuen Betriebsrats im Gemeinschaftsbetrieb zweier der Ausgangsbetriebe. Das Gericht hat zunächst festgestellt, dass die Antragsberechtigung vorliegt, weil die wahlberechtigten Arbeitnehmer in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition beeinträchtigt sein können und hiervon sowohl ihr aktives, als auch Ihr passives Wahlrecht betroffen ist. Zudem wäre ein nichtiger Betriebsrat weder bei Kündigungen anzuhören, noch könnte er wirksam Mitbestimmungsrechte ausüben.
Allerdings könne sich ein Anspruch auf Abbruch der vom Wahlvorstand eingeleiteten Betriebsratswahlen nur ergeben, wenn zu erwarten sei, dass die Betriebsratswahl nichtig ist. Die bloße Anfechtbarkeit genügt hierfür nicht. Die von den Antragstellern geltend gemachte Verkennung des Betriebsbegriffs aber hat in der Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit der darauf beruhenden Betriebsratswahl zur Folge. Derart gravierende Mängel des Wahlverfahrens bestand nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts im vorliegenden Fall nicht.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Betriebsratswahlen führen immer wieder zu streitigen Verfahren, die nicht nur die Frage der Geltendmachung der Anfechtung oder Nichtigkeit einer durchgeführten Wahl betreffen, sondern wie hier auch bereits den Versuch, eine eingeleitete Wahl im Rahmen eines einstweilen Verfügungsverfahrens abbrechen zu lassen. Die Entscheidung folgt insofern der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die bloße Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl für einen solchen Anspruch auf Abbruch der Wahl nicht ausreichend ist (Bundesarbeitsgericht, 27 Juni 2011, Az: 7 ABR 61/10). Auch die Einschätzung, dass die Verkennung des Betriebsbegriffs in aller Regel nicht die Nichtigkeit, sondern nur die Anfechtbarkeit zur Folge hat, folgt der bestehenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Entscheidung vom 13.03.2013, Az: 7 ABR 70/11). Wichtig ist die Entscheidung insofern, als sie die vom Bundesarbeitsgericht noch in der Entscheidung vom 27. Juli 2011 (Az. 7 ABR 61/10) offengelassene Frage, ob Arbeitnehmer den Abbruch einer Betriebsratswahl geltend machen können, dahingehend beantwortet, dass dies jedenfalls dann der Fall ist, wenn das Quorum von mindestens 3 wahlberechtigten Arbeitnehmern erfüllt ist.
Gericht:
LAG Hessen
Datum der Entscheidung:
14.09.2020
Aktenzeichen:
16 TaBVGa 127/20