LAG Köln: Anspruch auf Annahmeverzugslohn im gekündigten Arbeitsverhältnis

In einem Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht Köln stritten die Parteien um Entgeltansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.

Die Klägerin war seit August 1989 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Mit Schreiben vom 28.10.2014 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2015. Im Zeitraum vom 08.11.2014 bis zum 07.06.2015 war die Klägerin krankgeschrieben. Am 08.06.2015 endete die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Hierüber informierte sie die Beklagte allerdings nicht. In einem weiteren Rechtsstreit stellte das Landesarbeitsgericht die Unwirksamkeit der mit Schreiben vom 28.10.2014 ausgesprochenen Kündigung fest, sodass das Arbeitsverhältnis über den 31.05.2015 hinaus fortbestand.

Die Klägerin begehrte nunmehr aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverszuges u.a. die Zahlung von Entgelt für den Zeitraum vom 01.06.2015 bis zum 30.09.2016. Das Arbeitsgericht Aachen hat der Klage der Klägerin überwiegend stattgegeben. Durch die Unwirksamkeit der Kündigung sei die Beklagte ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist in Annahmeverzug geraten. Einer ausdrücklichen Anzeige der Wiedergenesung durch die Klägerin habe es nicht bedurft, sodass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Entgelt aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges für die Zeit vom 08.06.2015 bis zum 31.08.2016 habe.

Die von der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht Köln als unbegründet zurück. So folge der Anspruch der Klägerin auf Lohn ohne Arbeit aus §§ 615, 293 ff. BGB. Nach § 615 BGB kann die Klägerin ihre Vergütung trotz Nichtleistung der Arbeit von der Beklagten verlangen, wenn die Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerät und dies der Grund für die Nichtleistung ist. Wann von einem solchen Annahmeverzug auszugehen ist, bestimmt sich nach den § 293 ff. BGB. Nach § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Dabei muss die Leistung dem Gläubiger grundsätzlich tatsächlich (§ 294 BGB) bzw. wörtlich (§ 295 BGB) angeboten werden. In § 296 BGB heißt es dazu wie folgt:

„Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.“

Nach dieser Vorschrift ist das tatsächliche Angebot ausnahmsweise entbehrlich, wenn zur Bewirkung der Arbeitsleistung der Klägerin eine Handlung der Arbeitgeberin erforderlich ist und für diese Handlung eine „Zeit nach dem Kalender bestimmt ist“. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist diese nach dem Kalender bestimmte, für die Arbeitsleistung der Klägerin notwendige Handlung der Arbeitgeberin (1.) die Zuweisung des Arbeitsplatzes, (2.) die Zurverfügungstellung des Arbeitssubstrats und (3.) die Ausübung des Direktionsrechts. Mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2015 habe die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, ab dem 01.06.2015 nicht mehr bereit zu sein, der Klägerin einen Arbeitsplatz zuzuweisen, ein Arbeitssubstrat zur Verfügung zu stellen und das Direktionsrecht nach § 106 GewO auszuüben. Insbesondere, so das LAG, sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, die Beklagte auf das Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit hinzuweisen. Es genüge im unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der objektive Wiedereintritt der Leistungsfähigkeit; die Kenntnis der Arbeitgeberin hiervon ist unerheblich, denn auf eine derartige Kenntnis von der Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberin werde in §§ 296, 297 BGB nicht abgestellt. Das LAG Köln folgte insofern den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts und wies die Berufung der Beklagten zurück.

 

Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:

Mit seiner Entscheidung vom 11.07.2019 folgt das LAG der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Ansprüche auf sogenannten Annahmeverzugslohn in der arbeitsrechtlichen Praxis eine bedeutende Rolle spielen. So vergehen in einem Kündigungsschutzverfahren zwischen Klageerhebung und Urteilsspruch des Arbeitsgerichts in der Regel mehr als sechs Monate. Wird der Rechtsstreit vor dem Landesarbeitsgericht fortgeführt können bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung sogar mehrere Jahre vergehen. Wird letztlich die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung festgestellt, ist unter Umständen in der Zwischenzeit der Annahmeverzugslohn auf eine beträchtliche Summe herangewachsen, die es nach zu vergüten gilt. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten daher bei ihrer Prozesstaktik im Kündigungsschutzverfahren ggf. entstehende Ansprüche auf Zahlung von Annahmeverzugslohn berücksichtigen. So kann es für den Arbeitgeber u.U. ratsam sein, durch das Angebot eines Prozessbeschäftigungsverhältnisses an den gekündigten Arbeitnehmer, das Risiko später Annahmeverzugslohn zahlen zu müssen zu minimieren.

 

Gericht:

LAG Köln

Datum der Entscheidung:

11.07.2019

Aktenzeichen:

6 Sa 663/18