LAG: Monatliche Pauschale oder Zulage pro Stunde bei ständiger bzw. nicht ständiger Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit im öffentlichen Dienst
Der Kläger ist zu 25% im Schichtdienst/Rettungsdienst eingesetzt und leistete in den Kalenderjahren 2015 bis 2017 durchschnittlich 3 Nachtschichten pro Monat im Umfang von jeweils 12 Stunden. Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger hierfür nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände geltenden Fassung (TVöD-VKA) eine Wechselschicht- bzw. Schichtzulage in Höhe der monatlichen Pauschale oder nur für die geleisteten Stunden zusteht.
Der Kläger ist der Auffassung, dass er ständig Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit leiste und deshalb Anspruch auf die monatliche Pauschale und den Zusatzurlaub habe. Entscheidend sei nicht der tatsächliche Umfang bezogen auf das Gesamtbeschäftigungsverhältnis, sondern die Tatsache, dass er ständig nach einem Schichtplan arbeite, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsehe.
Für den entsprechenden Zeitraum macht er € 2.508,24 als Schichtzulage gemäß § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD-VKA geltend.
Die einschlägigen Bestimmungen des TVöD-VKA, der zumindest kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet, lauten wie folgt:
„(…)
§ 7 Sonderformen der Arbeit
(1) 1Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. 2Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. 3Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.
(2) Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.
(…)
(5) Nachtarbeit ist die Arbeit zwischen 21 Uhr und 6 Uhr.
§ 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit
…
(5) 1Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105 Euro monatlich. 2Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro pro Stunde.
(6) 1Beschäftigte, die ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 40 Euro monatlich. 2Beschäftigte, die nicht ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 0,24 Euro pro Stunde.
§ 27 Zusatzurlaub
(1) Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit nach § 7 Abs. 1 oder ständig Schichtarbeit nach § 7 Abs. 2 leisten und denen die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 1 oder Abs. 6 Satz 1 zusteht, erhalten
a) bei Wechselschichtarbeit für je zwei zusammenhängende Monate und
b) bei Schichtarbeit für je vier zusammenhängende Monate einen Arbeitstag Zusatzurlaub.
(…)
(3) Im Falle nicht ständiger Wechselschichtarbeit und nicht ständiger Schichtarbeit im Bereich der VKA soll bei annähernd gleicher Belastung die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage durch Betriebs-/Dienstvereinbarung geregelt werden.“
Sowohl die erste Instanz, als auch das LAG haben die Klage abgewiesen. Zur Begründung verweist das LAG darauf, dass es Sinn und Zweck der Wechselschicht- bzw. Schichtzulage sei, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich dafür zu gewähren, dass die (Wechsel-)Schichtarbeit erheblich auf seinen Lebensrhythmus einwirkt und ihr Beginn und ihr Ende außerhalb der allgemein üblichen Arbeits- und Geschäftszeiten liegen. Im vorliegenden Fall sei der Kläger aber nur zeitweise in ein Schichtsystem eingebunden, während er ansonsten einen regulären Dienst versieht. Er werde dadurch gerade nicht „dauernd, fortwährend, permanent“ in dieser Sonderform der Arbeit eingesetzt, sondern eben auch im Normaldienst.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Die tariflichen Regelungen zur Abgrenzung zwischen ständiger und nicht ständiger Schichtarbeit oder Wechselschichtarbeit enthalten keine eindeutige Definition, so dass in der Praxis immer wieder Auslegungsdifferenzen zum Tragen kommen, die mit der unterschiedlichen Wortlautauslegung des Begriffs „ständig“ in Zusammenhang stehen. Das LAG stellt in diesem Zusammenhang klar, dass es nicht ausschlaggebend ist, weshalb ein Arbeitnehmer nicht „ständig“ im Schichtdienst eingesetzt wird. Entscheidend ist vielmehr ausschließlich auf den Umfang der mit dem entsprechenden Schichteinsatz verbundenen Belastung abzustellen. Diese Belastung aber hängt davon ab, in welchem Ausmaß der Arbeitnehmer im Schichtdienst tätig ist. Auch wenn eine Schichtdiensttätigkeit „regelmäßig“ erfolgt, bedeutet ein Anteil von 25% nach dieser Entscheidung noch nicht die „ständige“ Heranziehung im Schichtdienst. Im Ergebnis bleibt es damit weiter bei einer für jeden Einzelfall sorgfältig vorzunehmenden Prüfung der Voraussetzung für die Gewährung der Zulagen und Zusatzurlaubsansprüche.
Gericht:
BAG
Datum der Entscheidung:
20.11.2019
Aktenzeichen:
5 AZR 578/18