LAG München: Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats bei Versetzung vom Home Office
Streitgegenständlich war ein Verfahren über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung einer Arbeitnehmerin vom Home Office zurück in den Betrieb und die weitere Frage, ob die vorläufige Durchführung der Versetzung durch sachliche Gründe dringend geboten ist.
In 2013 schlossen die Mitarbeiterin und die Arbeitgeberin eine „Vereinbarung über Alternierende Telearbeit“ ab, wonach der durchschnittliche Anteil der Telearbeit an der Gesamtarbeitszeit 60% und bei Bedarf bis zu 80% betrug. Weiter stand in der Vereinbarung: „Die Telearbeitsvereinbarung kann beiderseitig mit 4 Wochen Kündigungsfrist zum Monatsende gekündigt werden. Nach der Kündigung gilt der ursprüngliche Arbeitsvertrag weiter.“
In 2017 unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat über die Kündigung der Zusatzvereinbarung Alternierende Telearbeit und bat ihn um Zustimmung zur Versetzung der Mitarbeiterin in den Betrieb unter Hinweis, dass die Maßnahme vorläufig durchgeführt werde. In ihrem Schreiben wies die Arbeitgeberin darauf hin, dass die Maßnahme erforderlich sei, um kurzfristig auf Kundenanfragen reagieren zu können und zudem seien Teile der Kunden nicht bereit, Telearbeit zu akzeptieren.
Der Betriebsrat hat sich unter anderem darauf berufen, dass die vertraglich vereinbarte Widerrufsmöglichkeit ohne weitere Voraussetzungen gegen AGB-Recht verstoße und zudem nicht billigem Ermessen entsprochen habe.
Das Landesarbeitsgericht München hat nun entschieden, dass die Frage, ob die vertragliche Regelung gegen einem Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung oder eine gerichtliche Entscheidung oder behördliche Anordnung verstoßen habe und ob ein Verstoß gegen AGB-Recht gemäß § 307 BGB vorgelegen habe, eine (allein) individualrechtliche Streitigkeit sei, die zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeberin zu klären sei. Schließlich hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die vorläufige Durchführung der Versetzung durch sachliche Gründe dringend geboten gewesen sei, denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts würde gelten, dass wenn kein Zustimmungsverweigerungsgrund vorliege und die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung zu ersetzen sei, dass der Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Frage, ob die Durchführung der vorläufigen Maßnahme dringend erforderlich sei, dahingehend geändert sei, dass nur noch zu überprüfen sei, ob die Maßnahme offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich gewesen sei und ein solche Offensichtlichkeit habe nicht vorgelegen.
Hinweis von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Das Landesarbeitsgericht kann sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stützen, wonach das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen kein Instrument zur umfassenden Vertragsinhaltskontrolle ist (vgl. BAG, 27.10. 2010 – 7 ABR 86/09; 25.01.2005 – 1 ABR 61/03). Aus diesem Grund obliegt auch dem Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung bei der Einstellung nicht die Vertragsinhaltskontrolle, ob individuelle Absprachen zwischen der Arbeitgeberin und dem einzustellenden Arbeitnehmer tarifwidrig sind (vgl. BAG, 27.10. 2010 – 7 ABR 36/09). Die Entscheidung zeigt aber auch einen der häufigen Problembereiche der vertraglichen Regelungen über die Einrichtung von Home Office-Arbeitsplätzen auf, nämlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Recht zur Nutzung des Home Office widerrufbar ist. Auch wenn der Betriebsrat mit seiner Argumentation hier nicht durchgedrungen ist, finden sich hier in der Praxis tatsächlich häufig inhaltliche Fehler, die nur durch eine sorgfältige Vertragsgestaltung vermieden werden können.
Gericht:
LAG München
Datum der Entscheidung:
31.07.2018
Aktenzeichen:
7 TaBV 19/18