LAG Nürnberg: Unzulässigkeit der Verknüpfung von Turboprämie und Sozialplanvolumen

Aufgrund der beabsichtigten Schließung eines Werkes vereinbarten die Betriebsparteien einen Interessenausgleich, einen Sozialplan und eine gesonderte Betriebsvereinbarung zu einer Kündigungsschutzklageverzichtsprämie. Im Vorfeld war ein Budget festgelegt worden, welches für den Sozialplan, den Interessenausgleich und die Klageverzichtsprämie gemeinsam einen Betrag in Höhe von 8 Millionen EUR umfasste. Der Kläger wurde nach seiner Kündigung freigestellt und erhob gegen die Kündigung keine Kündigungsschutzklage. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger unter anderem seinen Anspruch auf die Klageverzichtsprämie geltend, während die Beklagte davon ausging, dass sie sich in zulässiger Weise auf eine im Sozialplan festgelegte Kappungsgrenze berufen könne. Sowohl das Gericht I. Instanz, als auch das Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab.

Insbesondere habe der Kläger keinen Anspruch auf zusätzliche Zahlung einer Klageverzichtsprämie. Zwar liege nach Einschätzung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg in der Regelung eine Umgehung des Verbots, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig zu machen.

Insofern sah das Landesarbeitsgericht mit der Rechtsprechung des BAG die Notwendigkeit, dass Zahlungen, die vom Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage abhängig sind, erheblich hinter dem Sozialplanvolumen zurückbleiben müssen. Die hier vorgesehene Gesamtkonstellation, bei der stattdessen ein wesentlicher Teil des gesamten Budgets von 8 Millionen EUR für die Klageverzichtsprämie vorgesehen wurde, sei demnach zweckwidrig dem „Bereinigungsinteresse“ der Beklagten zugeführt worden. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die Betriebsvereinbarung insgesamt unwirksam ist, sondern vielmehr dass das hierfür vorgesehene Budget Teil der Sozialplanregelung wird, mit der Folge, dass sich die für jeden unter den Anwendungsbereich des Sozialplans fallenden Arbeitnehmer die Abfindung um den Faktor 0,25 erhöht.

Im Ergebnis wurde die Klage dann jedoch deshalb abgewiesen, weil zulasten des Klägers die wirksam vereinbarte Kappungsgrenze greift. Diese verstoße nicht gegen § 75 I BetrVG i. V. m. §§ 1, 7 AGG.

Die Verknüpfung der Zahlung eines Teils der Sozialplanabfindung mit einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage (sog. Klageverzichtsprämie) ist zweckwidrig und daher unwirksam. Dies gilt auch, wenn die Klageverzichtsprämie in einer eigenen Betriebsvereinbarung geregelt, die Prämie aber aus dem Sozialplanvolumen finanziert ist. In einem solchen Fall können Sozialplan und Betriebsvereinbarung als Einheit zu betrachten sein mit der Folge, dass nicht die Betriebsvereinbarung insgesamt unwirksam ist, sondern die Klageverzichtsprämie die im Sozialplan vorgesehene Abfindung erhöht ggf. unter Berücksichtigung etwaiger Kappungsgrenzen. (amtl. Leitsatz)

 

 

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BAG, dass es unzulässig ist, eine Sozialplanregelung zutreffen, bei der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen höheren Abfindungsbetrag erhalten, wenn sie keine Kündigungsschutzklage erheben. Die vielfach üblichen „Turboprämien“ die im Zusammenhang mit Sozialplanverhandlungen häufig getroffen werden, sind aber nicht grundsätzlich unzulässig. Erforderlich ist vielmehr, dass sie sich als freiwillige Leistungen des Arbeitgebers darstellen, die nicht mit dem Sozialplanvolumen verknüpft und erheblich niedriger ausgestaltet sind als die Sozialplanregelung selbst. Die Regelung zum Klageverzicht muss zudem in einer gesonderten Betriebsvereinbarung (also nicht im Sozialplan selbst) festgelegt werden, die nach der Vereinbarung des Sozialplans geschlossen wird.

In der aktuellen wirtschaftlichen Lage nimmt die Zahl an Betriebsänderungen und der daraus resultierende Notwendigkeit von Sozialplanverhandlungen deutlich zu. Die Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die rechtlichen Rahmenbedingungen sorgfältig in die Gestaltung einfließen zu lassen.

 

Gericht:

LAG Nürnberg

Datum der Entscheidung:

14.10.2020

Aktenzeichen:

2 Sa 227/20