LAG Bayern: Zuständigkeit weltlicher Arbeitsgerichte bei Verstoß gegen DS-GVO eines kirchlichen Arbeitgebers
Der Kläger, der seit dem 24.05.1989 bei der beklagten Erzdiözese als Leiter eines Jugendtreffs beschäftigt ist, hat in diesem Verfahren einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Datenschutzverstoß geltend gemacht. Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger insbesondere an, dass seine Angaben über seine Krankheitsursachen und seines Gesundheitszustandes im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements einem Personenkreis zugänglich gemacht wurden, der nicht an diesem BEM teilgenommen hatte.
Das Arbeitsgericht hatte in erster Instanz mit Beschluss vom 04.02.2020 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit an das Interdiözesane Datenschutzgericht in Köln verwiesen. Zur Begründung führt das Arbeitsgericht aus, dass nach § 2 Absatz 1 KDSGO (Kirchliche Datenschutzgerichtsordnung) die kirchlichen Gerichte in Datenschutzangelegenheiten für die Überprüfung von Entscheidungen der Datenschutzaufsicht der katholischen Kirche in Deutschland sowie für gerichtliche Rechtsbehelfe der betreffenden Person gegen den Verantwortlichen oder den kirchlichen Vertragsverarbeiter zuständig seien.
Das LAG hat diese Entscheidung aufgehoben und festgestellt, bei einem Rechtsstreit eines bei der Erzdiözese im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages angestellten Arbeitnehmers auf Schadensersatz wegen Verstößen gegen das kirchliche Datenschutzgesetz (KDG) ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben und nicht der Rechtsweg zu den nach KDSGO errichteten interdiözesanen Datenschutzgerichten.
Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten auch nicht durch höherrangiges Europarecht ausgeschlossen sei.
Zwar habe die Europäische Union in Artikel 91 DSGVO anerkannt, dass auch eine Kirche und religiöse Vereinigung oder Gemeinschaft eigene Datenschutzregeln anwenden darf, sofern sie mit der DSGVO „in Einklang gebracht werden“. Artikel 82 Absatz 6 DSGVO regele jedoch, dass mit Gerichtsverfahren zur Inanspruchnahme des Rechts auf Schadensersatz die Gerichte zu befassen sind, die nach den in Art. 79 Abs. 2 genannten Rechtsvorschriften des Mitgliedsstaates zuständig sind. Für individualrechtliche Streitigkeiten aus einem privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis greife somit die staatliche Rechtsschutzgarantie und damit in Deutschland der Rechtsweg zu den staatlichen Arbeitsgerichten.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Die Entscheidung überzeugt inhaltlich und bringt eine wichtige Abgrenzung im Verhältnis von weltlichem und kirchlichen Datenschutz sowie zur Reichweite des verfassungsrechtlich geschützten kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Die vielfache Annahme, kirchlicher Datenschutz sei allein eine kircheninterne Angelegenheit, wird hierdurch wiederlegt und damit zutreffend bei datenschutzrechtlichen Verstößen kirchlicher Dienstgeber auch der Rechtsweg zu den weltlichen Arbeitsgerichten eröffnet. Zu beachten ist dabei jedoch auch, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren Bescheide der kirchlichen Datenschutzaufsicht mit Tatbestandswirkung zu berücksichtigen sind und Urteile der kirchlichen Datenschutzgerichtsbarkeit betreffend die Feststellung von Datenschutzverstößen im arbeitsgerichtlichen Verfahren Rechtskraftwirkung zukommt. Daraus kann sich gegebenenfalls die Notwendigkeit einer Aussetzung des weltlichen Verfahrens bis zur Entscheidung der kirchlichen Datenschutzgerichtsbarkeit ergeben.
Gericht:
LAG Bayern
Datum der Entscheidung:
29.05.2020
Aktenzeichen:
8 Ta 36/20