LAG Rheinland-Pfalz: Inbezugnahme von tarifvertraglichen Regelungen durch betriebliche Übung möglich
Die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits machte gegenüber der beklagten Arbeitgeberin einen Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung im Umfang von zwei Arbeitstagen aus Anlass ihrer Eheschließung geltend. Die Klägerin selbst war zwar außertariflich beschäftigte Arbeitnehmerin, machte jedoch geltend, dass die einschlägige tarifvertragliche Regelung des MTV Chemie, nach der für eine Eheschließung bzw. eine Verpartnerung zwei Tage Freistellung gewährt werden, auch auf sie Anwendung finde.
Das Landesarbeitsgericht hat dazu entschieden, dass die tarifliche Regelung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin als außertarifliche Arbeitnehmerin zwar nicht direkt, allerdings kraft betrieblicher Übung Anwendung finde. Denn die Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen könne sowohl ausdrücklich, als auch konkludent erfolgen. Vorliegend habe die Arbeitgeberin die tarifvertragliche Regelung bislang einheitlich auch auf außertarifliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewendet, weshalb der Klägerin dem Grunde nach der Anspruch auf die zwei Tage bezahlte Freistellung zustehen. Das Gericht sieht diesen Anspruch jedoch bereits als erfüllt an, denn am 27.08.2011 ging die Klägerin bereits eine eingetragene Lebenspartnerschaft nach den damaligen Regelungen des LPartG ein. Aus diesem Anlass hatte die Arbeitgeberin der Klägerin bereits zwei Tage bezahlte Freistellung gewährt. Durch die nunmehr gesetzlich ermöglichte Umwandlung dieser Lebenspartnerschaft in eine Ehe, müsse die Beklagte daher nicht noch einmal zwei Tage Freistellung für die Eheschließung gewähren. Die erstinstanzliche Klage sowie die Berufung der Klägerin hatten vor diesem Hintergrund keinen Erfolg.
Hinweise von Rechtsanwalt Adrian Kalb:
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bedürfen nicht stets einer konkreten, schriftlich festgehaltenen vertraglichen Regelung. Selbst wenn ein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt, aus dem sich eine Anspruchsgrundlage grundsätzlich nicht ergibt, sollte daher stets geprüft werden, ob sich Ansprüche auf andere Art und Weise begründen lassen. Eine solche Begründung kann sich aus dem Bestehen einer sog. betrieblichen Übung ergeben. Eine solche kann entstehen, wenn der Arbeitgeber durch gleichförmiges und wiederholendes Verhalten bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt, dass ihnen eine bestimmte Leistung auch zukünftig gewährt wird. Ein schutzwürdiges Vertrauen ist dann vorliegend, wenn eine bestimmte Leistung durch den Arbeitgeber in der Vergangenheit zum wiederholten Mal kollektiv, d. h. nicht nur an die einzelne Mitarbeiterin oder den einzelnen Mitarbeiter, erbracht worden ist (sog. kollektive betriebliche Übung).
Gericht:
LAG Rheinland-Pfalz
Datum der Entscheidung:
30.06.2020
Aktenzeichen:
6 Sa 447/19