LAG Rheinland-Pfalz: Wegnahme von Pfandflaschen rechtfertigt bei langjährigem Arbeitsverhältnis nicht zwingend eine fristlose Kündigung
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG Mainz) hatte sich in einem Kündigungsschutzprozess mit einem Fall zu befassen, in dem ein langjährig (29 Jahre) beschäftiger Mitarbeiter eines Entsorgungsbetriebs (unstreitig) 30 – 40 Pfandflaschen aus dem Abfall des Arbeitgebers an sich genommen und an einem Pfandflaschenrückgabeautomaten eines Lebensmittelmarktes eingelöst hatte.
Da es – wie dem Getränkehersteller, einem Kunden des Entsorgungsbetriebes, auffiel – offenbar zu gehäuften Rückgaben gerade solcher Pfandflaschen kam, die vorher wegen abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums zur Entsorgung angeliefert worden waren, bekam die Sache eine besondere Brisanz.
Der Arbeitgeber kündigte nach Anhörung des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß.
Im anschließenden Kündigungsschutzprozess wurde in erster Instanz zwar die hilfsweise ordentliche Kündigung bestätigt, die fristlose Kündigung dagegen für rechtsunwirksam erklärt.
Zugunsten des Arbeitnehmers musste dabei davon ausgegangen werden, dass es sich – zumindest aus Sicht des Arbeitnehmers – nicht um die abgelaufenen Flaschen des Getränkeherstellers, sondern um solche Pfandflaschen handelte, die sich im "Restmüll" des Entsorgungsbetriebes befanden.
In der zweiten Instanz hatte das LAG Mainz schließlich nur noch über die fritlose Kündigung zu befinden: Im Einklang mit der Vorinstanz bestätigte es in seiner Entscheidung vom 22.01.2014 die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung. Dabei stellte es maßgeblich auf die lange Betriebszugehörigkeit des Klägers ab. Auch könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger wissentlich solche Flaschen entsorgt habe, die, auch für ihn erkennbar, zur Entsorgung im Auftrag eines Kunden bestimmt waren. Ferner konnte ihm nicht unterstellt werden, dass er davon ausgehen musste, durch sein Verhalten die Vertragsbeziehungen zwischen zwischen seinem Arbeitgeber und dem Getränkehersteller (Kunden) zu gefährden (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 22.01.2014, Az. 4 Sa 392/13).
Hinweise von Rechtsanwalt Michael Kügler:
Die vorliegende Entscheidung zeigt deutlich, dass es immer wieder auch im Zusammenhang mit der Entwendung scheinbar geringwertiger Gegenstände zu fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen kommt.
Dabei kann es durchaus auch trotz langer Betriebszugehörigkeit letztendlich zum Arbeitsplatzverlust kommen: Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitnehmer – nachdem er insoweit erstinstanzlich unterlegen war – schließlich die hilfsweise ordentliche Kündigung "akzeptiert".
Hierin liegt auch ein Unterschied zur sog. "Emmely"-Entscheidung des BAG, Urt. v. 10.06.2010, AZ. 2 AZR 541/09 (vgl. hierzu): Dort hatte das BAG beide Kündigungsformen daran scheitern lassen, dass der Arbeitgeber nicht auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückgegriffen hatte. Im Streit stand dort 2 Pfandbons von 0,48 € und € 0,92 €.
4 Sa 392/13
4 Sa 392/13
4 Sa 392/13
4 Sa 392/13