LAG Hessen: Mittelbare Diskriminierung wegen des Alters

Immer wieder beschäftigt die Frage nach einer Diskriminierung durch Anforderungsprofile in Stellenausschreibungen die Gerichte. So gesehen, handelt es sich bei der in diesem Fall zu entscheidenden Frage einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Alters geradezu um einen Klassiker.

Der Fall selbst weist zudem eine erhebliche Historie aus, denn schon in 2009 schrieb ein Versicherungsunternehmen eine Stelle aus mit der Anforderung, Bewerber/-innen „ohne nennenswerte Berufserfahrung“ zu suchen. Die Bewerber wurden für ein Traineeprogramm gesucht und zunächst war die Klage, die sich unter anderem auf eine Entschädigungszahlung in Höhe von 14.000,00 Euro richtete, in erster und zweiter Instanz abgewiesen worden. Dies unter anderem deshalb, weil die Suche von Bewerbern für ein Traineeprogramm berechtigter Weise auf jüngere Bewerber abstelle. Im Weiteren hatten sowohl das BAG, als auch der EuGH über den Sachverhalt zu entscheiden und schließlich wurde der Sachverhalt nach ca. neun Jahren an das LAG Frankfurt a. M. zurückverwiesen.

 

Dieses hat nunmehr entschieden, dass der Ausschreibungstext mittelbar i.S.v. § 3 II AGG mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft sei. Zwar sei die Berufserfahrung dem Anschein nach ein neutrales Kriterium i.S.v. § 3 II AGG, weil nicht unmittelbar auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen wird. Andererseits aber sei das Kriterium der Berufserfahrung mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verbunden, da Bewerber und Bewerberinnen mit einer längeren Berufserfahrung gegenüber Berufsanfängern typischer Weise ein höheres Lebensalter aufweisen.

Zudem zeige auch das zusätzliche Anforderungskriterium eines “Hochschulabschlusses, der nicht länger als 1 Jahr zurückliegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt“, das auf die Gewinnung jüngerer Mitarbeiter/-innen begrenzte Interesse. Damit aber sei diese Anforderung geeignet, ältere gegenüber jüngeren Personen wegen des Alters in besonderer Weise zu benachteiligen. Der Klage wurde daher nunmehr hinsichtlich des noch geltend gemachten Entschädigungsanspruchs in vollem Umfang stattgegeben.

 

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Stellenausschreibungen haben immer eine gewünschte Außenwirkung. Sie sind zugleich insbesondere vor dem Hintergrund der sogenannten „verpönten Merkmale“ des AGG der Gefahr einer Benachteiligung und damit einer unerlaubten Diskriminierung ausgesetzt. Bei Inkrafttreten des AGG war die Sorge groß, dass sogenannte „AGG-Hopper“ ausschreibende Arbeitgeber mit Klagen überziehen. Dieser Vorwurf war auch im Rahmen des jetzt entschiedenen Rechtstreits erhoben, vom LAG aber als nicht bestätigt angesehen worden. Die Tatsache, dass das Verfahren bis zu diesem Urteil nicht nur das BAG, sondern auch den EuGH beschäftigt hat, zeigt zugleich, wie schwierig die Abgrenzungsfragen aus dem AGG weiterhin sind.

 

Gericht:

Landesarbeitsgericht Hessen

Datum der Entscheidung:

18.06.2018

Aktenzeichen:

7 Sa 851/17