EuGH: Religionszugehörigkeit als Einstellungskriterium kirchlicher Arbeitgeber
Zu den Besonderheiten des sogenannten „Dritten Weges“ der Kirchen gehört neben der paritätischen Setzung von arbeitsrechtlichen Normen insbesondere auch die Berechtigung, an die kirchlichen Beschäftigten bestimmte Loyalitätsanforderungen zu stellen, wie sie außerhalb des kirchlichen Arbeitsrechts schon wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz unzulässig wären.
Doch wo liegt die Grenze der Zulässigkeit solcher Loyalitätsanforderungen? Dürfen die Kirchen aktuell noch von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine bestimmte Religionszugehörigkeit verlangen?
Ein solcher Sachverhalt hat aktuell den Europäischen Gerichtshof beschäftigt. Streitgegenständlich war die Entschädigungsklage einer konfessionslosen Bewerberin, die sich auf eine beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e.V. ausgeschriebene Referentenstelle beworben und diese nicht erhalten hatte. In der Ausschreibung war unter anderem vermerkt worden, dass von den Bewerberinnen und Bewerber die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland angehörenden Kirchen erwartet wird.
In der Annahme, sie habe die Stelle wegen Ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten, klagte die Bewerberin nach § 15 Abs.2 AGG auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 9.788,65 Euro. Das Evangelische Werk hingegen trug vor, es sei ihr gutes Recht, nach § 9 Abs.1 AGG Anforderungen an die Religionszugehörigkeit zu stellen. Nachdem die Klägerin in erster Instanz teilweise obsiegt hatte, wollte, wurde ihre Berufung auf Zahlung der vollen Entschädigung zurückgewiesen und das schließlich angerufene Bundesarbeitsgericht beschloss, dass Verfahren dem EuGH vorzulegen.
Der EuGH hat nunmehr Maßstäbe definiert, an denen die nationalen Gerichte zukünftig ihre Entscheidungen auszurichten haben. Das bisher weitgehend verbreitete Prinzip, dass die Kirchen von all ihren Beschäftigten die Kirchenmitgliedschaft verlangen können, wird dabei nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die fragliche Stelle ihrer Art nach oder nach den Umständen der Ausübung eine Kirchenmitgliedschaft objektiv erfordert und dies Verlangen auch verhältnismäßig ist. Der Bundesgerichtshof muss diese Grundsätze nunmehr auf den aktuellen Fall anwenden und abschließend entscheiden.
Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:
Der Dritte Weg der Kirchen, seine Sonderrechte und deren Grenzen haben in den letzten Jahren immer wieder das Bundesarbeitsgericht und auch den Europäischen Gerichtshof befasst. Die Frage besonderer Loyalitätspflichten ist uns dabei unter anderem im Zusammenhang mit der Kündigung wiederverheirateter Chefärzte oder dem Streikverbot für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begegnet.
Das vorliegende Urteil folgt dieser Entwicklung und macht künftig eine Unterscheidung zwischen „verkündungsnaher“ und „verkündungsferner“ Beschäftigung erforderlich. Selbst vermeintlich einfache Grenzziehungen werden dabei aber in der Praxis zu nicht unerheblichen Problemen führen. Die Stelle eines Hausmeisters wird wohl deutlich als „verkündungsfern“ einzuschätzen sein. Was aber, wenn der Hausmeister, etwa im Rahmen von Schul- oder Kitaprojekten in die pädagogische Arbeit mit einbezogen wird. Wesentlich ist insofern auch ein zweiter Aspekt der aktuellen Entscheidung, dass nämlich nicht die Kirchen allein ihre Loyalitätsanforderungen definieren dürfen, sondern dass diese Entscheidungen durch die weltlichen Gerichte überprüfbar sind!
Gericht:
Europäischer Gerichtshofe
Aktenzeichen:
C414/16 (Egenberger)
Datum der Entscheidung:
17.04.2018