BVerfG: Mehrfache sachgrundlose Befristung grundsätzlich verboten
Das Verbot der mehrfachen sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG, welches keine starre zeitliche Grenze beinhaltet, ist nach der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.06.2018 verfassungskonform. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der eine erneute sachgrundlose Befristung nach Ablauf von drei Jahren wieder zulässig sein sollte, überschreite hingegen die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Der Gesetzgeber habe sich bewusst gegen die Aufnahme einer zeitlichen Grenze entschieden.
Zum Hintergrund:
Nach § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG ist
„die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes […] bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.“
Nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist jedoch
„eine Befristung nach Satz 1 […] nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.“
In seiner Entscheidung vom 06.04.2011 − 7 AZR 716/09 entschied das Bundesarbeitsgericht sodann
„Eine Vorbeschäftigung i. S. von § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist nicht gegeben, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Das ergibt die Auslegung der Vorschrift.“
Die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:
Nunmehr hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 06.06.2018 festgestellt, dass das Verbot der mehrfachen sachgrundlosen Befristung des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG verfassungskonform ist. Das Verbot diene dazu, strukturell unterlege Arbeitnehmer vor Kettenbefristungen zu schützen und das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu sichern. Im Einzelfall könne das Verbot aber unzumutbar und von den Fachgerichten einzuschränken sein. Dies könne insbesondere der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Das könnten bestimmte geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder der Familienzeit sein, die Tätigkeit von Werkstudierenden oder die lang zurückliegende Beschäftigung von Menschen, die sich später beruflich völlig neu orientieren. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsgerichts immer zulässig sein soll, wenn die Vorbeschäftigung länger als drei Jahre zurückliege, überschreite jedoch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung.
Hinweise von Rechtsanwältin Dr. Astrid Dotting
Die aktuelle Entscheidung des Bundefassungsgerichts stärkt den Schutz vor unzulässigen Kettenbefristungen und eröffnet Arbeitnehmern, die aus der von der Rechtsprechung geschaffenen Drei-Jahre-Grenze herausgefallen sind, neue Möglichkeiten, rechtlich gegen Befristungsabreden vorzugehen. Gleichzeitig zeigt die Entscheidung jedoch auch auf, dass nicht jede Vorbeschäftigung „schädlich“ ist und es am Ende einer Einzelfallprüfung durch die Fachgerichte bedarf, um die Fallkonstellationen ausfindig zu machen, in denen eine sachgrundlose Befristung trotz einer „Zuvor-Beschäftigung“ gerade noch oder gerade nicht mehr möglich war. Für Arbeitgeber wird es folglich schwieriger, eine möglichst rechtssichere Prognose zu treffen. Für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob eine Orientierungshilfe durch den Gesetzgeber oder letztlich durch von der Rechtsprechung entschiedene Fallkonstellationen geschaffen werden wird.
Gericht:
Bundesverfahssungsgericht
Aktenzeichen:
1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14
Datum der Entscheidung:
06.06.2018