BAG: Umkleidezeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit bei besonders auffälliger Dienstkleidung

Bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB. Das gilt zumindest, wenn das Tragen der Dienstkleidung lediglich fremdnützig und die Vergütungspflicht nicht ausdrücklich durch Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen worden ist.

Die Parteien streiten über die Vergütung von Umkleidezeiten. Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1994 beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das im Bereich Geld- und Werttransporte sowie Geldbearbeitung tätig ist. Die Klägerin ist zum Tragen von Dienstkleidung, bestehend aus Sicherheitsschuhen und einem schwarzen Poloshirt, auf dem sich auf Vorder- und Rückseite in gelber Schrift das Firmenlogo befindet, verpflichtet. Sie kleidet sich in den Umkleideräumen im Betrieb um, andere Arbeitnehmer erscheinen bereits in Dienstkleidung zur Arbeit und legen damit auch den Weg nach Hause zurück.

Sowohl das Tragen des Poloshirts als auch das Tragen der Sicherheitsschuhe erfolgt vorliegend ausschließlich fremdnützig, wie das Bundesarbeitsgerichts in seiner Entscheidung ausführt. Die Klägerin habe kein Interesse sich durch das Tragen des Poloshirts in der Öffentlichkeit als Mitarbeiterin der Beklagten zu erkennen zu geben. Die Sicherheitsschuhe seien zumindest Teil der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schutzkleidung, sodass die Klägerin mit dem Tragen, dem Erfordernis zur Nutzung selbiger nachkäme. Vor diesem Hintergrund bejaht das Bundesarbeitsgericht in dem vorliegenden Fall die Pflicht zur Vergütung der Umkleidezeit als Arbeitszeit. Die Vergütungspflicht sei hier auch nicht durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ausgeschlossen.

In der Entscheidung wird die Vergütungspflicht der Umkleidezeit zwar bejaht, darin wird jedoch auch aufgezeigt, wann eine Vergütungspflicht der Umkleidezeit ausgeschlossen ist. Eine Vergütungspflicht der Umkleidezeit wäre danach beispielsweise ausgeschlossen, wenn:

  • die Dienstkleidung zu Hause angelegt werden kann und – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann;
  • es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen;
  • ein Ausschluss der Vergütungspflicht im Arbeitsvertrag oder
  • dies in einem auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifvertrag vereinbart worden ist.

Der Umfang der als Arbeitszeit zu vergütenden Umkleidezeiten richte sich nach der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Danach zähle die Zeitspanne zur Arbeitszeit, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist.

Hinweise von Rechtsanwältin Dr. Astrid Dotting:

Die Entscheidung erinnert daran, dass bei der Frage, ob Umkleidezeiten vergütungspflichtige Arbeitszeiten sind oder nicht, ein gestalterischer Spielraum der Arbeitsvertragsparteien besteht. So können Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowohl durch die Gestaltung des Sachverhalts als auch durch Vertragsgestaltung darauf Einfluss nehmen, ob diese Zeiten separat zu vergüten sind. Die Vergütungspflicht von Umkleidezeiten ist daher stets im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.

Gericht:

Bundearbeitsgericht

Aktenzeichen:

5 AZR 245/17

Datum der Entscheidung:

25.04.2018