Urlaub für langzeiterkrankte Arbeitnehmer: Übertragungszeitraum kann tariflich auf 15 Monate beschränkt werden
Das LAG Hamm hat am 22.03.2012 entschieden (AZ. 16 Sa 1176/09), dass die Regelung im MTV für die Metall- und Elektroindustrie NRW wirksam sei, wonach das Ansammeln von Ansprüchen auf Jahresurlaub aus vergangener Zeit auf einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten beschränkt ist. Das folge aus dem Urteil des EuGH vom 22.11.2011 (Rs. C-214/10 – “Winfried Schulte”). Soweit ein Tarifvertrag – wie etwa im Einzelhandel NRW – keine eigenständigen Regelungen für den Verfall des übergesetzlichen Urlaubs enthalte, betrage der Übertragungszeitraum in richtlinienkonformer Fortbildung des BUrlG 18 Monate.
Der schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der MTV für die Metall- und Elektroindustrie NRW (EMTV) Anwendung. Seit dem 23.1.2002 war der Kläger arbeitsunfähig krank und bezog ab dem 1.10.2003 – jeweils befristet – eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zum 31.8.2008 wurde das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvereinbarung beendet. Mit seiner am 18.3.2009 erhobenen Klage verlangte der Kläger die Abgeltung seines
Urlaubs für die Jahre 2006, 2007 und 2008. Das Arbeitsgericht sprach ihm für die drei Jahre einen Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs von 60 Arbeitstagen und des Schwerbehindertenurlaubs von 15 Arbeitstagen zu. Auf die Berufung der Beklagten setzte das LAG das Verfahrenaus und legte dem EuGH die Frage
zur Vorabentscheidung vor, ob Urlaubsansprüche für langjährig arbeitsunfähige Arbeitnehmer angesammelt werden können oder ob sie zeitlich befristet sind. Der EuGH hat am 22.11.2011 (Rs. C-214/10) entschieden, dass einzelstaatliche Rechtsvorschriften wie Tarifverträge den Übertragungszeitraum auf 15 Monaten beschränken können. Daraufhin hat das LAG die Beklagte verurteilt, für 15 Monate den Urlaub abzugelten, und die Klage i.Ü. abgewiesen.
Der Kläger kann vom Beklagten lediglich die Abgeltung von Urlaub für 15 Monate verlangen. Das ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Unterabs. 3 des EMTV, der einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten bei Krankheit vorsieht. Nach dem Urteil des EuGH ist diese Vorschrift nicht zu beanstanden und verstößt nicht gegen Europarecht. Der Kläger war auch berechtigt, die Ansprüche noch geltend zu machen, obwohl er die im EMTV geregelte Drei-Monats-Frist nach Fälligkeit nicht eingehalten hat. Diese Ausschlussfrist gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer trotz Anwendung der ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert war, sie einzuhalten. Ein solcher Fall lag hier
vor. Denn zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Ansprüche des Klägers fanden nach der einschlägigen Rechtsprechung des BAG derartige Ausschlussfristen für Urlaubsansprüche noch keine Anwendung, so dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt die Frist nicht einhalten musste.
16 Sa 1176/09
16 Sa 1176/09