VGH Kassel: Einstellung von Ein-Euro-Kräften mitbestimmungspflichtig

Die Stadt Wetzlar hatte Anfang 2005 für Empfänger von Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") Arbeitsgelegenheiten eingerichtet, dafür Arbeitslose eingesetzt und diesen eine Entschädigung von 1,30 € je Stunde gezahlt. Der zuständige Personalrat wurde nicht beteiligt und wehrte sich dagegen, dass die Beschäftigung der Arbeitslosen ohne seine Zustimmung erfolgte. Im September 2005 entschied das Verwaltungsgericht, dass die Beschäftigung von Ein-Euro-Kräften eine mitbestimmungspflichtige Einstellung darstelle und der Zustimmung des Personalrates bedürfe. Gegen diese Entscheidung erhob die Stadt Wetzlar Beschwerde. 

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) wies die Beschwerde zurück. Nach seiner Auffassung stellt der Einsatz von Ein-Euro-Kräften eine 'Einstellung' im Sinne des HPVG dar. Zwar habe das BVerwG im Jahr 2000 entschieden, dass der Einsatz von Sozialhilfeempfängern nach dem Personalvertretungsgesetz des Landes Schleswig-Holstein nicht der Mitbestimmung des Personalrates unterliege, jedoch sei diese Rechtsprechung auf den Einsatz von Ein-Euro-Kräften nach dem HPVG nicht übertragbar. Die Ein-Euro-Kräfte würden in die Arbeitsorganisation der Dienststelle tatsächlich eingegliedert, Aufgaben der Dienststelle erfüllen und dem Weisungsrecht der Dienststelle unterliegen. Der vorrangige Zweck der Mitbestimmung des Personalrates bestünde darin, die Interessen der regulär beschäftigten Mitarbeiter zu schützen. Im Hinblick auf die Eingliederung der Ein-Euro-Kräfte in die Dienststelle sei deshalb keine andere Berurteilung als  bei einem Einsatz von Leiharbeitnehmern, ABM-Kräften oder Zivildienstleistenden  vorzunehmen. Bei diesen werde aber weitgehend bejaht, dass ihr Einsatz eine mitbestimmungsbedürftige Einstellung darstelle. Der VGH hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. (VGH Kassel vom 22.06.2006, Az. 22 TL 2779/05)

Anmerkung von Rechtanwalt Rolf-Christian Otto: Fast gleichzeitig mit der Entscheidung des VGH Kassel ist eine gegensätzliche Entscheidung des OVG Koblenz ergangen, welches eine Mitbestimmung des Personalrates bei Ein-Euro-Kräften für das Personalvertretungsgesetz des Landes Rheinland-Pfalz ablehnt. Dabei stützt sich das OVG Koblenz darauf, dass zwischen den Beteiligten kein Arbeitsverhältnis begründet werde, so dass keine Einstellung vorliege. Letztlich wird damit zu rechnen sein, dass es weiterhin zu divergierenden Entscheidungen kommt, solange das Bundesverwaltungsgericht nicht in letzter Instanz entschieden hat. 

Für den Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes liegt ebenfalls noch keine letztinstanzliche Entscheidung vor. Im Hinblick auf die Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen dürfte jedoch von einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auszugehen sein, soweit eine Ein-Euro-Kraft in den Betrieb eingegliedert wird, wovon im Regelfall auszugehen sein dürfte. 

Aktenzeichen:

22 TL 2779/05