EuGH: Wiederverheiratung kein Kündigungsgrund für Chefarzt an kirchlichem Krankenhaus

Der sogenannte Chefarzt-Fall beschäftigt die deutschen Gerichte seit vielen Jahren. Ausgangspunkt ist die verhaltensbedingte Kündigung eines katholischen Chefarztes und Leiters der Abteilung Innere Medizin eines kirchlichen Krankenhauses. Hintergrund für die verhaltensbedingte Kündigung war nach Angaben des Krankenhauses die Tatsache, dass der Chefarzt sich nach einer weltlichen Scheidung wieder verheiratet hatte und die Eingehung einer nach kanonischem Recht ungültigen Ehe durch einen leitend tätigen katholischen Beschäftigten einen Verstoß gegen seine Loyalitätsobliegenheiten darstelle und die Kündigung rechtfertige.

Der Sachverhalt beschäftigte in der Vergangenheit das Arbeitsgericht (30.07.2009), das Landesarbeitsgericht (01.07.2010), das Bundesarbeitsgericht (08.09.2011), das Bundesverfassungsgericht (22.10.2014), erneut das Bundesarbeitsgericht (28.07.2016) und jetzt den Europäischen Gerichtshof.

Bereits der Schlussantrag des Generalsanwalts vom 11.9.2018 hatte erwarten lassen, dass die Zustimmung des Klägers zu einer bestimmten kirchlichen Überzeugung in Form des heiligen und unauflöslichen Charakters der Ehe nicht als wesentliche und gerechtfertigte berufliche Anforderung betrachtet werden würde.

In Übereinstimmung mit dem vorangegangenen Urteil in Sachen Egenberger (EuGH, 17.4.2018, Az. C-414/16) bekräftigt der Europäische Gerichtshof, dass Loyalitätsanforderungen kirchlicher Arbeitgeber in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Im Rahmen dieser Kontrolle müsse dann das nationale Gericht sicherstellen, dass die Religion oder die Weltanschauung im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des fraglichen Ethos ist.

Der Europäische Gerichtshof hat bereits zu erkennen gegeben, dass er die Kündigung deshalb für unrechtmäßig erachtet. Die Entscheidung hierüber obliegt nunmehr aber wiederum dem nationalen Gericht, also erneut dem Bundesarbeitsgericht.

Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Norbert Gescher:

Die Entscheidung liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu kirchenarbeitsrechtlichen Fragen in den letzten Jahren. Insbesondere in der oben genannten Entscheidung Egenberger hatte der EuGH bereits klargestellt, dass Loyalitätsanforderungen der Kirche in vollem Umfang einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Mit der jetzigen Entscheidung wird ergänzend herausgearbeitet, dass es sich um gerechtfertigte berufliche Anforderungen handeln muss, die zudem im konkreten Fall verhältnismäßig sein müssen.

Spannend ist auch, dass der Generalanwalt noch explizit darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung auf die Loyalitätspflichten voraussetzt, dass die entsprechende Einrichtung nicht nur die Grundordnung des kirchlichen Dienstes übernommen hat, sondern sich auch in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung von weltlichen Arbeitgebern unterscheidet.

Gericht:

Europäischer Gerichtshof

Datum der Entscheidung:

11.09.2018

Aktenzeichen:

C-68/17